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Immer mehr Stimmen warnen, dass der angestrebte Schuldenerlass von 100 Milliarden Euro nicht reichen wird.

Foto: APA/EPA/Oliver Berg

Athen/Berlin - Am Montag kommen die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel zu ihrem ersten Gipfeltreffen des Jahres zusammen, um sich mit der anhaltenden Schuldenkrise zu befassen. Sie wollen den Pakt für Haushaltsdisziplin und den Vertrag für den künftigen Euro-Rettungsfonds ESM billigen. Weiteres Thema ist die Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Am frühen Nachmittag treffen die Gipfel-Teilnehmer in Brüssel ein - hier gehts zum Live-Stream.

In Belgien haben Gewerkschaften für Montag zu einem Generalstreik aufgerufen, um gegen die Sparpolitik zu protestieren.

Die Lage in Griechenland läuft derweil zunehmend aus dem Ruder. Die deutsche Regierung wolle Athen hart an die Kandare nehmen, hieß es am Wochenende: Berlin sorgte mit dem Vorschlag für Aufregung, Griechenland sollte für einen gewissen Zeitraum die Souveränität über sein Budget abgeben. Ein Beauftragter der EU könnte alle größeren Ausgaben Griechenlands überwachen und dafür sorgen, dass dem Schuldenabbau absoluter Vorrang eingeräumt wird. Aus Brüssel kam ein klares Nein zu diesen Überlegungen, in Athen kochte am Wochenende Empörung hoch.

Deutschlands Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) verteidigte die Forderung nach mehr Kontrolle. "Wir brauchen bei der Umsetzung des Reformkurses mehr Führung und Überwachung. Wenn dies den Griechen nicht selbst gelingt, müssen Führung und Überwachung stärker von außen kommen, zum Beispiel durch die EU", sagte er der "Bild"-Zeitung. Rösler zeigte sich unzufrieden mit dem Stand der Reformen in Griechenland.

Griechenland müsse die volle Regierungsverantwortung behalten, betonte hingegen die EU-Kommission. "Verwaltungsaufgaben müssen weiterhin voll in der Verantwortung der griechischen Regierung liegen, die gegenüber ihren Bürgern und Institutionen verantwortlich ist. Diese Verantwortung liegt auf ihren Schultern, und so muss es bleiben", teilte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn mit.

Scharfe Überwachung

Zuvor war in deutschen Regierungskreisen ein Bericht der "Financial Times" bestätigt worden, wonach in der Eurogruppe ein informelles Papier diskutiert werde, das im Gegenzug für weitere Hilfen eine scharfe Überwachung der griechischen Finanzen fordert. Ein EU-Kontrolleur solle alle größeren Ausgaben Griechenlands genehmigen. Zudem müsse Athen gesetzlich festlegen, dass Staatseinnahmen zuerst für den Abbau der Schulden verwendet würden. Die "Welt am Sonntag" berichtete, sollte sich Deutschland mit seinen harten Forderungen durchsetzen, sollten die Vorschläge am Montag in die Abschlusserklärung des EU-Gipfels aufgenommen werden.

Griechenland reagierte mit klarer Ablehnung, in zahlreichen Medien gab es wütende antideutsche Berichte. Finanzminister Evangelos Venizelos ließ mitteilen: "Wer das Volk vor das Dilemma Finanzhilfe oder nationale Würde stellt, ignoriert historische Lehren." Aus Regierungskreisen hieß es knapp, darüber werde nicht geredet. Bildungsministerin Anna Diamantopoulou betonte, das sei eine "krankhafte Fantasie, egal wer sie hat".

Griechenlands Regierung und Bankenvertreter hatten ihre Gespräche über einen Schuldenschnitt am Samstag zunächst unterbrochen. Wie ein Sprecher des Internationalen Bankenverbandes (IIF) erklärte, könnten die Gespräche aber in dieser Woche ein Ende finden. Die privaten Gläubiger seien "nahe am Abschluss eines freiwilligen Schuldenschnitts", hieß es.

Neue Belastungen

Es gibt allerdings auch immer mehr Stimmen, die warnen, der angestrebte Schuldenerlass von 100 Milliarden Euro werde nicht reichen. Neben anderen Medien zuvor berichtete nun das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" unter Berufung auf die "Troika" aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB), auf die Länder der Eurozone kämen im Rahmen des zweiten Rettungspakets für Griechenland neue Lasten zu. Statt 130 Milliarden Euro, wie Ende Oktober beschlossen, würden etwa 145 Milliarden Euro fällig. Grund sei die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Griechenland. "Wir gehen nicht davon aus, dass man das fehlende Geld allein bei den privaten Gläubigern einsammeln kann", zitierte das Magazin die Kontrolleure.

Die deutsche Regierung hatte EU-Währungskommissar Olli Rehn noch am Freitag vorgeworfen, mit Aussagen über einen höheren Finanzbedarf in Griechenland unnötig Verwirrung zu stiften. Auch Rehn hatte gewarnt, der Forderungsverzicht privater Gläubiger werde für eine Lösung nicht ausreichen. Weitere staatliche Hilfen seien unausweichlich. (APA/red, derStandard.at, 30.1.2012)