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Christian Wulff, Präsident

Foto: Reuters/Peter

Berlin - Die Ermittlungen gegen den früheren Sprecher des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff haben zu einem Polizeieinsatz im Bundespräsidialamt geführt. "Wir haben Unterlagen und Computerdateien beschlagnahmt, die jetzt ausgewertet werden müssen", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Hans-Jürgen Lendeckel, am Sonntag und bestätigte damit einen Bericht der Zeitung "Bild am Sonntag". Es gebe einen "qualifizierten Tatverdacht" gegen Olaf Glaeseker.

Nach Angaben des Bundespräsidialamts wollte Wulffs Ex-Sprecher sein Dienstzimmer am vergangenen Wochenende ausräumen. Mit Hinweis auf ein "mögliches Ermittlungsinteresse der Staatsanwaltschaft Hannover" sei ihm der Zugang verweigert worden, sagte Wulffs Sprecherin Petra Diroll. Am Donnerstagvormittag erfolgte dann auf Beschluss des Amtsgerichts Hannover die Durchsuchung im Präsidialamt, das unweit vom Schloss Bellevue liegt.

Verdacht der Bestechlichkeit

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den engen Wulff-Vertrauten wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Glaeseker soll dienstliche und private Belange miteinander vermischt haben und sich wirtschaftliche Vorteile verschafft haben. Wulff selbst ist seit Wochen wegen einer Kredit- und Medienaffäre unter Druck. Vor dem Hintergrund der Vorwürfe legte Glaeseker kurz vor Weihnachten sein Amt als Sprecher des Präsidenten nieder. Mitte Jänner geriet er dann ins Visier der Justiz: Bei einer Razzia durchsuchten Ermittler am 19. Jänner die Privat- und Geschäftsräume von Glaeseker und von dem Eventmanager Manfred Schmidt.

Glaeseker soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwischen 2007 und 2009 die Finanzierung der von Schmidt ausgerichteten Veranstaltungsreihe "Nord-Süd-Dialog" im Rahmen seiner damaligen Dienstgeschäfte "gefällig gefördert" haben. Als Gegenleistung soll Glaeseker mehrfach unentgeltlich Urlaube in Feriendomizilen Schmidts verbracht haben. Glaeseker war damals niedersächsischer Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs.

"Unglaublicher Vorgang"

Nach dem Justizeinsatz erhöhte die SPD den Druck auf Wulff. SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete es als "unglaublichen Vorgang, dass es inzwischen Durchsuchungsvorgänge im Bundespräsidialamt gibt". Dass dies nötig geworden sei, stelle einen "neuen Tiefpunkt" dar, sagte Gabriel in Potsdam. Das Angebot der SPD an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), gemeinsam einen neuen Präsidenten zu wählen, sei auch als Rücktrittsforderung an Wulff zu verstehen.

Der FDP-Abgeordnete Erwin Lotter kritisierte, Wulff bleibe nach der "Razzia" in "Deutschlands erster Adresse" sprachlos. Er frage sich, ob sich Wulff "schon im Panikraum des Schlosses verschanzt" habe, erklärte Lotter.

"Viele weitere Akzente"

Trotz der anhaltenden Vorwürfe in der Kredit- und Medienaffäre um Wulff stellte sich die deutsche Bundeskanzlerin erneut hinter das Staatsoberhaupt. In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" machte Merkel deutlich, dass sie nicht mit einem Rücktritt von Wulff rechnet: "Unser Bundespräsident wird viele weitere Akzente für unser Land und unser Zusammenleben setzen."

Die Opposition in Hannover und Berlin wirft Wulff eine Verquickung von Parteiaktivitäten und Regierungsämtern in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident vor. Zudem wird der deutsche Bundespräsident wegen seiner Nähe zu Unternehmern kritisiert. Wulff selbst hat Fehler eingeräumt, einen Rücktritt aber wiederholt ausgeschlossen. Die Zustimmungswerte für ihn sanken zuletzt weiter: Im ZDF-Politbarometer sprachen sich 50 Prozent für einen Rücktritt des deutschen Staatsoberhauptes aus.

Der Partymanager Schmidt räumte unterdessen ein, dass ihm die niedersächsische Staatskanzlei bei der Suche nach Geldgebern für den "Nord-Süd-Dialog" geholfen habe. Ohne die Kontakte und Empfehlungen des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und seines Sprechers Glaeseker wäre die Durchführung des Events kaum möglich gewesen. "Es müssen ja mal Kontakte hergestellt werden, wenn so etwas von der Wirtschaft finanziert werden soll", sagte Schmidt dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Zugleich wies er den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, Glaeseker mit kostenlosen Urlaubsreisen bestochen zu haben. Er sei seit 30 Jahren mit dem Journalisten befreundet. In dieser Zeit habe er Glaeseker zu Urlauben eingeladen, umgekehrt habe aber auch er Glaeseker besucht. Zweimal sei er sogar mit dem Freund und dessen Frau im Liegeabteil eines Autoreisezugs in den Süden gefahren. "Das macht man nur, wenn man sich richtig kennt."  (APA)