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Deserteure in einer Vorstadt von Damaskus.

Foto: Reuters/Jadallah

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Rebellen in Syrien zeigen, was sie vom russischen Veto gegen eine Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrates halten: Wladimir Putin reanimiert den klinisch toten Bashar al-Assad.

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In den Vororten von Damaskus wird schon seit Monaten geschossen, am vergangenen Wochenende allerdings hat die Intensität der Kämpfe drastisch zugenommen: Einen Tag nach dem Stopp des arabischen Beobachtereinsatzes schickte der syrische Präsident Bashar al-Assad am Sonntag hunderte Soldaten in die von Rebellen kontrollierten Außenbezirke der Hauptstadt. Bei dem Einmarsch mit dutzenden Panzern seien mindestens fünf Zivilisten getötet worden, sagten Regierungsgegner.

Deserteure haben nach Angaben der Opposition mitten in Damaskus eine Zentrale des Geheimdienstes der syrischen Luftwaffe angegriffen. Die Muslimbrüder, deren Führung sich derzeit zum Teil in der Türkei aufhält, meldeten, Ziel der Attacke sei ein Gebäude am Tahrir-Platz gewesen. Nach Angaben der Opposition gehört der Geheimdienst der Luftwaffe zu den Einheiten, die für die Gewalt gegen die Protestbewegung verantwortlich sind.

Nach Angaben von Oppositionellen haben Deserteure in einigen Gebieten der Unruheprovinz Homs die Kontrolle übernommen. Wie die Organisation syrischer Menschenrechtsbeobachter berichtete, hatte es zuvor heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen und fahnenflüchtigen Soldaten in der Stadt al-Rastan gegeben. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA meldete derweil, dass sechs regimetreue Soldaten nahe der Hauptstadt Damaskus bei einem Bombenanschlag auf eine von Militärs benutzte Herberge ums Leben gekommen seien. Wegen der andauernden Gewaltexzesse hatte am Vortag die Arabische Liga ihre Beobachtermission in Syrien abgebrochen.

Bereits am Samstag seien bei Assads Offensive in den Vororten zwölf Menschen getötet worden, berichteten Oppositionelle. Die Armee versuche, die von Rebellen gehaltenen Viertel zurückzuerobern. Die am Sonntag bei Tagesanbruch in einen weiteren Vorort rund 2000 eingerückten Soldaten seien Verstärkung für die Truppen, die schon andere Außenbezirke belagern. Dort verschlechterte sich die Lage den Regierungsgegnern zufolge dramatisch.  "In Feldlazarette umgewandelte Moscheen fordern Blutkonserven an", berichtete ein Assad-Kritiker per Satellitentelefon aus einem der Vororte. Die Strom- und Benzinversorgung sei unterbrochen.

Wie am frühen Montagmorgen bekannt wurde, haben Regierungstruppen die Gegner aus den Vororten zurückgedrängt (siehe aktuelle Meldung).

Weitere Todesopfer wurden aus dem von Rebellen gehaltenen Ort Rankus rund 30 Kilometer nördlich von Damaskus gemeldet. Von Mittwoch bis Samstag starben Oppositionellen zufolge dort mindestens 33 Menschen. Durch den Panzerbeschuss der Regierungstruppen seien mindestens zehn Gebäude eingestürzt.

Als Reaktion auf die unaufhörliche Gewalt hatte die Arabische Liga am Samstag den Einsatz ihrer Beobachter unterbrochen. Die Lage in dem Land habe sich dramatisch verschlechtert, begründete der Staatenbund die Entscheidung. Die Außenminister der Liga verabredeten sich für den 5. Februar zu einer Syrien-Debatte. Es wird erwartet, dass sie über einen dauerhaften Abzug der Beobachter sprechen. Diese waren in Syrien selbst angegriffen worden und auch im Ausland unter massive Kritik geraten, weil es während ihres Einsatzes zu noch mehr Gewalt kam. Nach Schätzungen der Uno vom Dezember sind mehr als 5000 Menschen ums Leben gekommen. Die syrische Führung spricht von 2000 Toten, bei denen es sich vor allem um Sicherheitskräfte handle.

Die Regierung in Damaskus wertete den Rückzug der Beobachter als Versuch, den Druck auf den UN-Sicherheitsrat zu erhöhen und darüber eine Intervention des Auslands zu ermöglichen. Gegen eine entsprechende Resolution sperren sich bisher die UN-Vetomächte Russland und China.

Die syrische Opposition begrüßte die Aussetzung der Beobachtermission der Arabischen Liga. "Die Arabische Liga ist endlich zur Einsicht gelangt, dass ihre Mission keinen Einfluss auf die Gewalt in Syrien hat. Sie hat es versucht und die Sinnlosigkeit erkannt" , sagte Samir Mashar, ein Mitglied des Exekutivrats des Syrischen Nationalrats (SNC) in Istanbul am Sonntag dem Standard. "Die einzige Lösung ist, die Syrien-Frage in den Sicherheitsrat zu bringen und Druck auszuüben, damit die Gewalt endet."

Der Vorsitzende des SNC, Burhan Ghalioun, plante eine Reise nach New York, um heute, Montag, für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates zu werben. Mashar hält die Aussichten für eine bindende Resolution angesichts des Widerstands Russlands zwar für gering. Die Gewalt in Syrien weite sich aber auf fürchterliche Weise aus. "Auch Russland wird deshalb früher oder später seine Haltung ändern", hofft der SNC-Mann. (red/Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 30.1.2012)