Es gehört zur österreichischen Lebenswirklichkeit, dass sich die Institutionen der Republik fest im Griff der Parteisekretariate befinden. Meist scheuen sie das Licht, agieren im Dunkel ihrer Allmacht. Dort bestimmen sie, welche Leistungen erbracht werden müssen, entscheiden über Posten und Karrieren." - So ungefähr gehen die renommierten Vorurteile, hier vorgetragen von Joachim Riedl. (Die Zeit online, 6. Jänner 2012).

Nüchtern betrachtet ist es allerdings umgekehrt, was meint, dass gerade der Parteieneinfluss, das Spiel verschiedener Interessen erst die Freiräume zulässt, die kein Privatsender in diesem Ausmaß kennt. Der ORF ist abhängig, aber er ist multipel abhängig, da marschieren so viele Könige, Fürsten und Ritter auf, dass die Pluralität der Interventionen nichtintendierte Effekte zeitigt.

Die Parteien und deren vordergründige wie hinterhältige Interessen haben (wenn auch nicht absichtlich) die Kommandostrukturen und die Durchgriffsrechte im ORF minimiert und nicht maximiert. Wrabetz ist ein Verwalter, kein Chef. Gerade weil dort verschiedene Wünsche und Forderungen herangetragen werden und aufeinander prallen, gedeihen welche, die unmittelbar nicht auf Linie von Geschäftsführung oder Programmleitung liegen. Überhaupt ist es schwer, für diese wie jene eine Linie vorzugeben, und das ist auch besser als andersrum.

So paradox es klingt, der Parteienproporz, der Filz, ja die Korruption sind Korrektive, die relative Autonomie ermöglichen. Es ist also die Frage zu stellen, ob die allseits geforderte "Entpolitisierung" des ORF tatsächlich das Resultat liefern würde, das man propagiert, oder nicht das schiere Gegenteil der Fall wäre. So ist der ORF zwar nicht frei, aber zumindest freier.

Außerdem, das sei noch abschließend zu Riedl gesagt, ist die Allmacht der Parteisekretariate Schnee von vorgestern. Faymann, Rudas, Ostermayer, Pelinka sind doch weniger die dunkle Seite der Macht als die Comedy Capers der Ohnmacht. Selbst das Abgedunkelte fließt sofort in die Druckerschwärze oder das Sendekabel. Hier will bloß ein unbeobachteter Beobachter die Gewichtung noch deutlicher von der Politik zum Journalismus hin verschieben. Man vertritt halt seine Interessen und tritt auf die Politik hin, die ohnehin schon fast hin ist. (Franz Schandl, DER STANDARD; Printausgabe, 28./29.1.2012)