Als Xerxes auf dem Weg nach Salamis mit seinem Heer die griechische Grenze überschreitet, wirft sich ein Grieche vor dem Perserkönig in den Staub und ruft: "Warum nur, o Zeus, hast Du Dich als Sterblicher verkleidet und führst die ganze Welt als Dein Gefolge mit Dir?" Wenn man sich "Bundesland heute"-Sendungen ansieht, dann erinnert mancher Beitrag an diese Geschichte aus der Antike mit dem Landeshauptmann als Xerxes und dem ORF-Redakteur als palmwedelndem Griechen. Dabei gibt es schlimmere Beispiele als das Studio Wien.

Die Causa Pelinka hat uns endlich eine echte öffentliche Debatte über die Unabhängigkeit des ORF beschert. Jetzt muss das Momentum aufrechterhalten werden. Der Fall bestätigt zwar wieder einmal die alte Weisheit, dass die meisten richtigen Dinge aus dem falschen Anlass in Schwung kommen, Aber man soll die Feste feiern, wie sie fallen ... Im Folgenden möchte ich ein Modell für einen neuen Stiftungsrat skizzieren, das helfen kann, zumindest ein Schalldämpfer für parteipolitische Begehrlichkeiten zu sein und nicht wie derzeit ein Megaphon. Dabei besinne ich mich auf meine vorpolitische Profession.

Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, sehr viel Gehirnschmalz darauf zu verschwenden, wie man die Politik bei der Bestellung der Organe eines öffentlich- rechtlichen Mediums ausschalten könnte. Man soll ihr nur den nachfolgenden Einfluss so schwer wie möglich machen. Die Politik bestellt ja auch die Mitglieder der Höchstgerichte, ohne in Verdacht zu geraten, damit die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben. Natürlich spielen auch da landsmannschaftliche Zugehörigkeiten und Parteisympathien eine nicht unwesentliche Rolle, Aber das ist noch lange kein Grund, an der Kompetenz und grundsätzlichen Unabhängigkeit unserer Verfassungsrichter zu zweifeln.

Gerade von dem Auswahlverfahren für den Verfassungsgerichtshof kann man für die Bestellung von Stiftungsratsmitgliedern einiges lernen: Die klare Definition von Formalqualifikationen, Damit ist einem Politiker der Weg versperrt, einen jungen Sekretär mit ein paar Semestern Jus im Gepäck in Richtung Höchstgericht in Marsch zu setzen. Wie begabt der junge Mann oder die junge Frau auch immer sein mag.

Zwei Schlüsselqualifikationen sind für Stiftungsratsmitglieder ein "Must": Medien-und Unternehmensführungskompetenz. Daher würde ich als Personalberater meinem Auftraggeber einen fünfzehnköpfigen Aufsichtsrat vorschlagen. Sechs Mitglieder sollten sich aus ehemaligen Inhabern von Spitzenpositionen im Print-oder elektronischen Bereich rekrutieren (ehemalig zwecks Reduzierung von Interessenkonflikten). Dazu kommen vier weitere Mitglieder aus Spitzenpositionen in der Wirtschaft, vorzugsweise mit Finanzbackground. Die restlichen fünf Mitglieder sollten von den ORF-Mitarbeitern nominiert werden können. Davon später mehr.

Um sicherzustellen, dass die Politik den Begriff "Spitzenposition" nicht zum Eigenwohl extensiv interpretiert und so einen ehemaligen Redakteur der Fleischhauerzeitung oder den stellvertretenden Finanzreferenten der Bau-und Holzarbeitergewerkschaft in den Stiftungsrat bugsiert, muss die Formalqualifikation sehr restriktiv und präzise definiert werden.

Aber hohe professionelle Qualifikation schafft nicht automatisch ein Mehr an Unabhängigkeit. Es zählt zwar zu den von den Funktionseliten besonders sorgfältig gepflegten Mythen, dass für ihren Aufstieg Mut und Zivilcourage unabdingbare Voraussetzungen gewesen sind. Aber dieser Mythos hat den gleichen Wahrheitsgehalt wie der Mythos von der potenzsteigernden Wirkung von zerriebenem Elfenbein.

Selbst Gerd Bacher, den ich für den weitaus tüchtigsten aller bisherigen ORF-Generalintendanten halte, ist eher ein begnadeter Mut-Darsteller denn ein tatsächlich Mutiger gewesen. Wofür verbiegen sich große wie kleine Kirchenlichter am meisten? Für ihre Wiederbestellung. Daher muss man per Gesetz dafür sorgen, dass sich für Stiftungsratsmitglieder vorauseilender Gehorsam und Anpassungsbereitschaft nicht auszahlen: Es gibt nur eine Bestellung für eine einzige Periode

Selbstverständlich sollen die Mitarbeiter im Stiftungsrat vertreten sein. Nicht nur die Redakteure, weil der ORF mehr ist als die Summe seiner Redakteure. Allerdings sollten die Mitarbeiter bei der Bestellung der ORF-Spitzenpositionen kein Stimmrecht haben. Es macht nämlich keinen Unterschied, ob der Generaldirektor zur Sicherstellung seiner Wiederwahl mit der Politik oder mit den Belegschaftsvertretern kungelt.

Eine letzte Bemerkung: Mich selbst hat das quasi selbstverständliche Du zwischen Politikern und ORF-Redakteuren immer gestört und habe dabei auch nie mitgemacht. Ich weiß, dass dieses Du nicht wirklich etwas bedeutet. In Österreich ist man mit so vielen Leuten per du, dass man gar nicht allen Gutes tun kann, die man duzt. Selbst wenn man wollte. Aber als Berater würde ich sowohl der Politik als auch dem ORF empfehlen, die Verpflichtung zur Distanz auch dadurch zu unterstreichen, dass auf das Du auch im privaten Gespräch verzichtet wird. Stil ist nicht alles, aber ohne Stil ist alles nichts.(Bernhard Görg, DER STANDARD; Printausgabe, 28./29.1.2012)