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Washington/Wien - 8,8 Millionen US-Amerikaner haben in der Rezession nach der Finanzkrise ihre Stelle verloren. Seit Februar 2010 schafft die US-Wirtschaft zwar wieder Jobs, aber vom Vorkrisenniveau ist der Arbeitsmarkt der größten Volkswirtschaft der Welt noch weit entfernt. Nach wie vor sind 8,5 Prozent der US-Amerikaner arbeitslos.

Erst in den vergangenen Monaten hat sich das Bild etwas aufgehellt. Allein im Dezember 2011 ging die Zahl der geschaffenen Stellen um 200. 000 nach oben, die Arbeitslosenrate ging wie schon in den Vormonaten zurück. Vor allem die Tatsache, dass die neuen Stellen über fast alle Sektoren verteilt sind, fand positives Echo bei Kommentatoren und Analysten. Zwei Baustellen bleiben allerdings offen: der Stellenabbau im öffentlichen Sektor und zunehmende Langzeitarbeitslosigkeit.

- Öffentlicher Sektor: Während der Großteil der privaten Dienstgeber neue Jobs schuf, bauten Bundesstaaten und Bezirke Stellen ab. Unterm Strich betrug das Minus im Vorjahr 280.000 Stellen. Besonders betroffen sind Kindergärten, Schulen und Universitäten: 311.000 Lehrer und andere Angestellte im Bildungswesen wurden gekürzt.

Gary Burtless, Ökonom bei der Brookings Institution, sieht genau darin ein Problem: "Die Unterstützung von Washington für die lokalen Behörden hat zu früh aufgehört, also mussten sie sparen." Er fordert eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Infrastruktur. Seiner Meinung nach sei der Zeitpunkt dafür perfekt, da die Refinanzierungskosten bei einem Minimum liegen. "Portugal zum Beispiel ist um ein Drittel ärmer als die USA (Anm. gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf), hat aber ein wesentlich besseres Straßennetz", so Burtless. Staatliche Investitionen in öffentliche Güter hätten laut ihm auch den Vorteil, dass sie sich sofort positiv auf die Beschäftigungszahlen auswirken.

- Langzeitarbeitslosigkeit: Der US-Arbeitsmarkt zeichnete sich in der Vergangenheit durch eine im Vergleich zu Europa relativ kurze Verweildauer in der Arbeitslosigkeit aus. Doch während der Finanzkrise 2008 und in der nachfolgenden Rezession hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit mehr als verdoppelt. Der Anteil jener Arbeitslosen, die bereits sechs oder mehr Monate auf Stellensuche sind, beträgt 40 Prozent.

Ein weiterer Wehrmutstropfen: Viele neue Stellen entstanden nur in Teilzeitform. Außerdem haben allein im Dezember rund 50.000 Personen die Jobsuche aufgegeben. Sie werden nicht mehr zu den verfügbaren Arbeitskräften gezählt und fallen damit aus der Statistik.

Wachstum ohne Jobs

Beide Problemfelder sind mit ein Grund dafür, warum US-Ökonomen schon länger von einem "Aufschwung ohne Beschäftigungswachstum" sprechen. In Folge der Dot-com-Krise 2001 dauerte es nach der Erholung des Bruttoinlandsprodukts noch 39 Monate bis auch der Beschäftigungsstand wieder das Vorkrisenniveau erreicht hatte. Doch nach der Finanzkrise rechnet die Unternehmensberatung McKinsey sogar mit 60 Monaten Erholungszeit. Das würde bedeuten, dass sich der US-Arbeitsmarkt erst 2014 erholt haben wird.

Wie reagiert die Politik darauf? Präsident Barack Obama präsentierte in seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstag unerwarteterweise Jobs in Industrie und verarbeitendem Gewerbe als Zukunftsfundament. Lee Ohanian von der University of California, Los Angeles, zweifelt: "Das wird nicht der Jobmotor sein. Die USA sind mittlerweile eine Dienstleistungsgesellschaft, und dort werden auch die meisten neuen Stellen entstehen", so der Ökonom.

Überhaupt ist der Handlungsspielraum der Politik eingeschränkt. Temporäre Steuerkürzungen laufen aus, und Obama hat im Kongress keine Mehrheit für seine Pläne. Auch die gestern veröffentlichten Konjunkturzahlen hellen den trüben Arbeitsmarkt nicht wesentlich auf: Die Rezession ist zwar vorbei, aber das Jobwachstum hinkt weiter hinterher. (David Ifkovits, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29.1.2012)