Dieses Jahr wird als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem die stets optimistischen Amerikaner die Hoffnung aufgegeben haben. Millionen von Menschen dachten, dass sie eine faire Chance hätten, den amerikanischen Traum für sich zu verwirklichen. Jetzt werden diese Träume hinweggespült.

2011 waren die Ersparnisse derjenigen, die ihre Arbeit in den Jahren 2008 oder 2009 verloren hatten, aufgebraucht. Die Arbeitslosenversicherung lief aus. Schlagzeilen, die die Entstehung neuer Arbeitsplätze verkündeten, bedeuteten nicht viel für die 50-Jährigen, die wenig Hoffnung haben, jemals wieder zu arbeiten.

Menschen mittleren Alters, die dachten, sie wären für ein paar Monate arbeitslos, müssen jetzt erkennen, dass sie tatsächlich in den Zwangsruhestand geschickt wurden. Junge Leute, die gerade ihren Abschluss an der Uni gemacht haben und zehntausende Dollar Ausbildungsschulden haben, finden gar keine Jobs. Leute, die bei Freunden und Verwandten untergekommen sind, sind jetzt obdachlos. Häuser, die während des Immobilienbooms gekauft wurden, sind immer noch auf dem Markt oder wurden mit Verlust verkauft.

Die Schattenseite des Finanzbooms der vorangegangenen Dekade ist auch in Europa deutlich sichtbar geworden. Das Zaudern in Bezug auf Griechenland und die Sparprogramme der wichtigsten europäischen Regierungen haben bereits im Vorjahr einen hohen Zoll gefordert. Italien steckte sich an. Die Arbeitslosigkeit in Spanien, die bereits zu Beginn der Rezession bei fast 20 Prozent gelegen hatte, kletterte noch weiter nach oben. Das Undenkbare - das Ende des Euro - rückte mit einem Mal in den Bereich des Möglichen.

Dieses Jahr stehen die Zeichen auf eine weitere Verschlechterung. Natürlich ist es möglich, dass die USA ihre politischen Probleme lösen und schließlich die Anreizprogramme beschließen, die nötig sind, um die Arbeitslosigkeit auf sechs oder sieben Prozent zu senken. Aber das ist genauso unwahrscheinlich, wie es unwahrscheinlich ist, dass die Europäer begreifen, dass Sparmaßnahmen allein ihre Probleme nicht lösen werden. Im Gegenteil, Sparen wird den Abschwung nur verstärken. Ohne Wachstum wird sich die Schuldenkrise - und damit die Eurokrise - nur verstärken. Und die lange Krise, die mit dem Kollaps der Immobilienblase 2007 und der darauffolgenden Rezession begonnen hat, wird anhalten.

Dazu kommt, dass die wichtigsten Schwellenländer, die erfolgreich durch die Stürme von 2008 und 2009 gesteuert sind, vielleicht nicht so leicht mit den Problemen fertig werden, die am Horizont lauern. Der pragmatische Wachstumsglaube, den man heute in Asien und anderen Schwellenländern sieht, steht in starkem Kontrast zu der fehlgeleiteten Politik des Westens, bei der man fast den Eindruck gewinnt, der Westen habe sich vorgenommen, nicht zu wachsen.

Daraus folgt, dass die globale wirtschaftliche Neuausrichtung wahrscheinlich beschleunigt wird und dass politische Spannungen fast unvermeidlich sein werden. Angesichts all der Probleme der globalen Wirtschaft haben wir Glück, wenn diese Spannungen sich nicht bereits in den kommenden zwölf Monaten manifestieren. (Joseph E. Stiglitz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29.1.2012, © Project Syndicate 1995-2012 )