Derzeit dauert die Medizin-Ausbildung sechs Jahre.

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Wien - Die EU-Kommission will die Mindestdauer der Medizinerausbildung von derzeit sechs auf fünf Jahre verkürzen, allerdings soll das Studium weiterhin aus "mindestens 5.500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts" bestehen. Das sieht die geplante Änderung der Richtlinie über Berufsqualifikationen vor, die die Mobilität von Ärzten und anderen Berufsgruppen vereinfachen soll. Kritik kommt von österreichischen und deutschen Medizin-Unis und Studentenvertretern.

Die letzte Harmonisierung der Berufsqualifikationen etwa für Mediziner liege schon 20 bis 30 Jahre zurück. "Sie sind jetzt aktualisiert worden, um der Weiterentwicklung dieser Berufe und der Ausbildung in diesen Bereichen Rechnung zu tragen", begründet die EU-Kommission ihren Vorschlag. Für eine tatsächliche Änderung wäre noch ein Beschluss von Rat und EU-Parlament nötig, danach müsste noch das österreichische Recht an die neue Richtlinie angepasst werden.

Warnung vor Qualitätsverlust

Da die Kommission nur eine Dauer von "mindestens" fünf Jahren vorgibt, wäre es zwar theoretisch möglich, Allgemeinmediziner weiterhin sechs Jahre lang auszubilden. Wegen befürchteter Wettbewerbsverzerrungen würde sich die Verkürzung auf fünf Jahre aber wohl durchsetzen, meinen die Kritiker und warnen vor einem Qualitätsverlust.

"Eine Verkürzung der Studiendauer bei gleichen Unterrichtsstunden würde die Qualität des Studiums gefährden und ist auch den Studierenden nicht zumutbar", betont der Rektor der Medizin-Uni Wien, Wolfgang Schütz. Im Mittelpunkt der Diskussion um eine Verkürzung müsse jedenfalls die Qualität der Ausbildung stehen, fordert Schütz wie auch Norbert Mutz, Vizerektor für Lehre der Medizin-Uni Innsbruck.

Mutz betonte die wichtige Rolle von Praktika. Die neuen Curricula sehen für das sechste Studienjahr ein klinisch-praktisches Jahr vor, in dem die Studenten von der Theorie an den beruflichen Alltag herangeführt werden sollen. Mutz geht aber "davon aus, dass in dieser Angelegenheit noch nicht das letzte Wort gesprochen ist."

Praktische Ausbildung kürzer

An der Medizin-Uni Graz würde eine Verkürzung des Studiums zu Lasten der praktischen Ausbildung gehen, so Rektor Josef Smolle. Dort ist das sechste Jahr ebenfalls ein "praktisches Jahr". Wenn dieses wegfalle, müsse die klinische Erfahrung in den postgradualen Bereich verlagert werden. Nur die Uni-Ausbildung anzusehen, würde aber bei einer Vereinheitlichung der Qualifikation von Ärzten in der EU ohnehin zu kurz greifen. "Wenn man wirklich eine Harmonisierung will, muss man sowohl die Studiendauer, als auch die postgraduale Ausbildung gemeinsam betrachten."

ÖH fürchtet aus für Nebenjobs

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) befürchtet, dass eine Verkürzung des ohnehin bereits jetzt zeitintensiven Medizin-Studiums das Aus für Studenten mit Nebenjob bedeuten könnte. Dass lediglich die Mindeststudiendauer verändert werden soll, ist für die ÖH keine Beruhigung. Sie rechnet damit, dass die Verkürzung dennoch umgesetzt würde. "Gerade im universitären Bereich wurde Österreich bei der Umsetzung in Bezug auf den Bologna Prozess bisher oft als Vorbild gehandelt", so der Vize-Vorsitzende Martin Schott (Fachschaftslisten, FLÖ). Die ÖH an der Medizin-Uni Graz fürchten um das Wohl der Patienten, denn: "Schlechtere Ausbildung heißt mehr Fehler - hier wird mit dem Leben und der Gesundheit von Patienten gespielt."

Auch in Deutschland Kritik

In Deutschland hat der Medizinische Fakultätentag, die Interessensvertretung der 36 Medizinfachbereiche an deutschen Unis, ebenfalls heftige Kritik an den Plänen geübt. Durch die Verkürzung steige der Lernaufwand von 72 auf 90 Stunden pro Woche, Zeit für die Praxis fehle. Hintergrund der EU-Pläne soll laut Fakultätentag ein Vorstoß von England und Irland sein, wo das Studium vor Einführung der Richtlinie im Jahr 2005 fünf Jahre gedauert hat - wenn auch bei geringerem Praxisanteil. Auch in Österreich war dies übrigens früher der Fall, allerdings fand eine Reform schon vor 30 Jahren statt.

Wissenschaftsministerium beruhigt

Im Wissenschaftsministerium sieht man vorerst keinen Grund für Aufregung, immerhin gebe es derzeit nur Diskussionen über eine Änderungen der Richtlinie, aber noch keinen Ratsbeschluss. Außerdem solle zwar die Mindestdauer verringert werden, aber nicht der Umfang von 5.500 Stunden. Sollte die Mindeststudiendauer tatsächlich verkürzt werden, wäre eine etwaige Adaption jedenfalls mit den Unis zu diskutieren. "Aus Sicht des Ministeriums ist das entscheidende Kriterium, dass die Qualität gewahrt bleibt", heißt es. (APA)