Hunderte Menschen, darunter VertreterInnen der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), KirchenrepräsentantInnen und Vertreterinnen von SPÖ und Grünen, haben am Freitag am Wiener Heldenplatz den internationalen Holocaust-Gedenktag begangen. Gedacht wurde der ermordeten Juden sowie der Sinti und Roma, Homosexuellen, politisch Verfolgten und behinderten Menschen, die dem Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind. Zwei Drittel aller europäischen Juden wurden von den Nazis ermordet, darunter eineinhalb Millionen Kinder, Jugendliche und Babys.

Am 27. Jänner 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Dass am selben Tag Studentenverbindungen mit einer unklaren Abgrenzung zum Antisemitismus in der Hofburg feiern, wurde und wird als Affront betrachtet.

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In unmittelbarer Nähe zur Hofburg, wo Freitagabend der Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) stattfinden sollte, warnten RednerInnen vor einem erneuten Aufflammen des Rechtsextremismus, vor einer Rückkehr der "Banalität des Bösen" (Hannah Arendt). Gleichzeitig richteten sie zahlreiche Appelle an jene, die gekommen waren, und jene, die am Abend zum WKR-Ball kommen würden.

Rudolf Gelbard, ein Überlebender des KZ Theresienstadt (hier im Bild), erinnerte nicht nur daran, dass zwei Drittel der europäischen jüdischen Bevölkerung ermordet wurden. "Ihr, die ihr heute hier tanzen und feiern werdet, wir erinnern euch an den Mord an den europäischen Sinti und Roma, und ihr, die ihr heute hier tanzen und feiern werdet, wir erinnern euch an die Opfer der Euthanasie", lautete sein Appell. Er will vor allem jene an die Schrecken des zweiten Weltkriegs erinnern, die "ihr Wissen aus der Zeitung von Mölzer" haben.

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Unterdessen waren die Gekommenen aufgerufen, die an sie verteilten Blumen in eine Tafel zu stecken.

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Die ZuhörerInnen am Heldenplatz hörten etwa von Dwora Stein, Vizepräsidentin des ÖGB: "Es geht auch um die scheinbar harmlosen Haltungen im Alltag - wenn gehetzt wird gegen Menschen, weil sie anders sind oder weil Sündeböcke gesucht werden für Entwicklungen, die Angst machen." Jeder und jede Einzelne sei aufgerufen, diesem Ungeist einen Geist der Zivilcourage entgegenzusetzen. Stein erinnerte an Rosa Jochmann, die als Überlebende des KZ Ravensbrück zeit ihres Lebens als Mahnerin gegen das Wiederaufkeimen von Faschismus und Antisemitismus aufgetreten sei. "Rosa Jochmanns zentrale Botschaft lautete: Nie wieder. In diesem Sinne werden wir immer dagegen ankämpfen, dass rassistisches und antisemitisches Gedankengut gesellschaftliche Akzeptanz findet."

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Die Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, hier als Zuhörerin, kritisierte in ihrer Rede einmal mehr den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf, dem sie Nähe zum rechten Lager vorwarf. Außerdem vermisse sie eine klare Abgrenzung der hohen RepräsentantInnen des Landes von rechts. Sie forderte Graf einmal mehr dazu auf, sein Amt als Dritter Nationalratspräsident zurückzulegen.

Außerdem fordert sie klare Worte von Bundespräsident Heinz Fischer gegen den WKR-Ball in der Hofburg.

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Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hob hervor, dass nicht nur viele Frauen unter den Opfern, sondern auch unter den TäterInnen gewesen seien. Wie viele Frauen unter den Opfern waren, kann nur geschätzt werden. Die Veranstaltung am Heldenplatz ist für die Frauenministerin ein "überfälliger Beginn einer Gedenk- und Erinnerungskultur rund um den 27. Jänner".

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Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, wiederum warnte vor der Gefahr der "Wurschtigkeit" in der Bevölkerung. Menschen seien bereit, eine Partei zu wählen, in der all das verherrlicht werde, was die Verbrechen des Nationalsozialismus ausgelöst habe, sagte er.

"Es sind nicht die blöden Buben, die irgendwelche Hakenkreuze schmieren, die mich ängstigen, es sind diese Schreibtischtäter", so Muzicant.

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Ariel Muzicant (Mitte), Eva Glawischnig (links) und Gabriele Heinisch-Hosek (rechts) vor der Kranzniederlegung.

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"Erinnern und Zeichen setzen", lauteten einige Botschaften der RednerInnen. Glawischnig und Heinisch-Hosek bei der Kranzniederlegung in Gedenken an die Opfer des Nazi-Terrors.

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So lautete das Motto der Veranstaltung. Einige RednerInnen forderten zudem, dass der 27. Jänner wie in Deutschland zum offiziellen Gedenktag erhoben wird. Für den Vorsitzenden des Vereins Gedenkdienst, Adalbert Wagner, etwa stellt der mit Blumen geschmückte Schriftzug "das Zeichen der Aufrechterhaltung unserer Verantwortung" dar. (eks, dieStandard.at, APA, 27.1.2012)

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