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Link: Amnesty Academy

Foto: EPA/MARIO LOPEZ

Wien - "Man lernt für's Leben, nicht für die Schule": Was Kinder ihren Eltern nicht ganz glauben können, wird in der "Amnesty Academy" gelebt. Als erste und bis vor einem Jahr einzige Bildungseinrichtung im weltweiten Netzwerk der Menschenrechtsorganisation Amnesty International setzt die in Wien ansässige Institution bereits seit 2003 auf die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für Menschenrechte, Aktivismus und politisch aktuelle Themen. In diesem Jahr stehen zwei Lehrgänge, darunter ein vom Verein "Zara" entwickelter Anti-Rassismus-Lehrgang, sowie 18 Workshops von Argumentationstraining bis Wissensvermittlung auf dem Programm.

Nicht jeder Teilnehmer muss Aktivist werden wollen, betont Amnesty Academy-Leiter Georges Younes. In den Kursen sitzen Bänker neben Informatikern, Studenten neben Pensionisten. "Menschen mit verschiedenen akademischen, beruflichen und kulturellen Hintergründen kommen zu uns", erzählt Younes. "Das, was sie verbindet, ist das Interesse an Menschenrechten und das Engagement für ihre Mitmenschen." Während die Workshops zum Thema "Menschenrechtswissen" vorrangig der Erweiterung des eigenen Horizonts dienen und etwa österreichische Migrationsgeschichte, die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern sowie Armutsaspekte behandeln, sind Kurse in der Rubrik "Fähigkeiten stärken" auf das eigene Handeln zugeschnitten.

Argumentationstraining gegen Stammtischparolen

Von Briefen an Entscheidungsträger und Solidaritätsbekundungen bis zu Demonstrationen: Formen des Aktivismus gibt es viele, oft fängt es aber viel kleiner an - im Beruf, im Freundeskreis, in der eigenen Familie. "Wenn Verwandte oder Freunde unreflektierte Ansichten zu Migrationsthemen äußern, fühlt man sich schnell vor den Kopf gestoßen, ist ohnmächtig", sagt Younes. Im Workshop zu Argumentationstraining gegen Stammtischparolen wird man zur Intervention ermutigt und erhält mögliche Argumentationsstrategien vermittelt - "damit das Gegenüber charmant und elegant mit Fakten vom Gegenteil überzeugt werden kann."

Die Workshops sind nicht als "mehrstündige Frontalangriffe" gestaltet, "Partizipation ist Programm", so Younes. Ob spielerisch bei simulierten Stammtisch-Gesprächssituationen oder tiefgreifender in der mehrere Kurse umfassenden "Menschenrechtswerkstatt", an deren Ende ein fertig entwickeltes Aktivismusprojekt steht. Besonders stolz ist man auf die angebotenen "Ausflüge" zu anderen Organisationen und Institutionen. So gibt im Parlament die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses und Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun Einblick in ihre Arbeit und der Leiter des Österreich Büros des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), Christoph Pinter, führt durch die UNO-City.

Politische Bildung am Esstisch

Die von Fachexperten geleiteten Workshops selbst sollen leicht verständlich und leistbar sein, der teuerste kostet 55 Euro, die Lehrgänge mehr. Im Vorjahr hat der norwegische Amnesty-Zweig das "International Human Rights Education Centre" in Oslo eröffnet, bis dahin hatte Österreich die einzige Bildungseinrichtung im Amnesty-Netzwerk. Aufgrund geringer Mittel ist man bei der Vermarktung hauptsächlich auf Mundpropaganda angewiesen, erzählt Younes. Jene Menschen, die sonst keinerlei Berührung mit Menschenrechtsthemen haben, seien daher besonders schwer zu erreichen. Die Sensibilisierung müsse früh anfangen, "und wenn es eine Matheaufgabe mit 'Peter und Aisha haben zehn Äpfel' statt 'Peter und Maria' in der Volksschule ist". Politische Bildung dürfe aber nicht nur auf die Schule beschränkt werden, so Younes, "das fängt am Esstisch an, auf der Straße im Umgang mit Menschen - vielleicht sogar schon im Sandkasten". (APA)