Das Bett mit den Rehleinaugen.

Foto: Putschögl

Der aufgemalte Küchenblock.

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Der selbst gebastelte Lampenschirm.

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Die Chaiselongue, darüber ein Ensemble aus weißen Bilderrahmen.

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Der Wintergarten mit dem Reisekoffer.

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Yvonne Werginz in ihrem "Showroom" im 9. Wiener Bezirk.

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Ein amerikanisches "Queen Size Bed", dunkle Tagesdecke, ein weißer Polster mit einem Rehkopf darauf. Es sieht sehr gemütlich aus. Draufsetzen sollte sich aber besser niemand, hinlegen schon gar nicht. Das Bett besteht nämlich nur aus einer aufblasbaren Matratze, die lose auf vier weißen Plastikkisten ruht. In schwarzes Tuch gehüllt und mit der Idee eines dunklen Betthaupts verziert, ist die Illusion eines bewohnten Schlafzimmers schon fast perfekt. Den Rest besorgen zwei Stehlampen und ein paar Kerzen auf der Fensterbank. Und die Rehlein-Augen.

Faible für Kitsch

Stolz zeigt Yvonne Werginz ihr Werk her. Es sieht aus, als sei hier ein überaus sorgsamer Mensch zu Hause, als wohnte in dieser 150 Quadratmeter großen Wohnung im Grazer Bezirk Andritz ein an Kunst und Hygiene gleichermaßen interessierter Zeitgenosse. Mit einem leichten Faible für Kitsch.

Dieser Zeitgenosse wird allerdings noch gesucht. Denn genau deshalb ist Yvonne Werginz da: Sie nimmt ein sogenanntes "Home Staging" vor. Das heißt, sie richtet die Wohnung optimal her, damit sich alsbald ein Käufer dafür findet.

Drei "Professionals" in Österreich

Diese Art von Dienstleistung ist relativ neu in Österreich, es gibt noch nicht einmal einen Dachverband. Werginz firmiert seit 2011 als offizielle Repräsentantin der "Deutschen Gesellschaft für Home Staging und Redesign e.V." (DGHR) in Österreich, die es ihrerseits erst seit 2010 gibt. Die Website der DGHR zählt insgesamt drei Ansprechpartnerinnen für Österreich auf, allesamt in Deutschland ausgebildete "Home Staging Professionals".

Werginz wurde nach Graz gerufen, weil sich die (leere) Wohnung bisher als äußert schwer vermittelbar herausstellte. Das zweigeschoßige Gebäude, in dessen Erdgeschoß sie liegt, stammt aus den frühen 1990er-Jahren. An der Nordwestseite des Hauses, dort, wo Werginz nun eine stylische Chaiselongue platziert und darüber ein Dutzend weiße Bilderrahmen zu einem extravagenten Wandschmuck drapiert, hatte sich der planende Architekt selbst eingerichtet; inklusive einem über 60 Quadratmeter großen Wintergarten mit Fußbodenheizung unter den Pflastersteinen. Der Architekt zog irgendwann aus, das Haus wurde vom Bauträger GWS übernommen und saniert. 

Seit zwei Jahren schon sucht Martina Haas, Verkaufschefin beim Bauträger GWS, einen Käufer für die Wohnung mit dem riesigen Wintergarten, der eigentlich eine wind- und regengeschützte sowie von unten und oben beheizte Terrasse ist. Und der die ganze Wohnung dominiert, sodass es potenziellen Käufern einiges an Vorstellungsvermögen abverlangte, wie sich diese Räume denn praktikabel einrichten ließen. Eine der letzten Interessentinnen machte sozusagen auf dem Absatz kehrt und sagte nur: "Das ist ein Fall für Home Staging." Haas googelte - und landete bei Werginz.

"Nichts Schlimmeres als nackte Glühbirnen"

Der Home-Staging-Expertin sind leere Wohnungen ohnehin am liebsten. Eine Wohnung zu "stagen", in der noch jemand wohnt, sei weitaus schwieriger, sagt sie. Dann können schon einmal zähe Verhandlungen entstehen, wenn sie empfiehlt, dass etwas rausmuss (eine abgewohnte Couch oder die dritten Zähne im Wasserglas) oder neu gemacht werden sollte ("Ausmalen ist kein großes Ding"). Denn sie weiß: "Es gibt nichts Schlimmeres, als eine nackte Glühbirne hängen zu lassen."

Ist die Wohnung oder das Haus leer, "dann kann ich reinstellen, wovon ich glaube, dass es dem Raum guttut". Nicht alle von ihr platzierten Gegenstände sind "Fakes" wie das nicht funktionstüchtige Bett. Genau genommen die wenigsten. Die meisten Sachen leiht sie aus, selbstverständlich auf Kosten des Auftraggebers. Dafür hängen an diesen Möbeln auch Preisschilder dran: Das Designer-Sofa mit dem Stahldrahtgerüst im Wintergarten kostet über 4.000 Euro, wenn der künftige Besitzer es gleich miterwerben will. Der Strohsessel immerhin auch noch 950 Euro.

Küchenblock aus Pappe

Manches ist aber auch deutlich billiger: Einen Lampenschirm hat sie aus alten Gläsern selbst in ihrer Werkstatt gebastelt. Und den Küchenblock hat ihr ein befreundeter Künstler buchstäblich aufgezeichnet - auf weiße Pappe, die "Arbeitsfläche" darauf besteht aus dunkler Pappe mit ebenso aufgemalten Herdplatten. Eine potemkinsche Kochnische. Den Lichtschacht darüber, durch den man in den großen Wintergarten blicken kann, zieren drei weiße Blumenvasen samt Inhalt. Herabhängende Kabel hat Werginz in Plastikschalen gezwängt, sie wirken nun wie eigenwillige Beleuchtungskörper.

Die Leihmöbel werden den Auftraggebern, in diesem Fall der GWS, zunächst für drei Monate in Rechnung gestellt. Ist die Wohnung früher verkauft, gibt's aber kein Geld retour. Die Gesamtkosten fürs "Stagen" beziffert Werginz auf rund ein Prozent der späteren Verkaufssumme, ihr Honorar bereits inkludiert. 

Teppich mit viel Luft

Maklerin Martina Haas kriegt dafür auch ein paar Tipps, wie sie eine Besichtigung dieser Wohnung anlegen sollte: "Nicht nach Grundriss vorgehen, also nicht mit dem ersten Zimmer anfangen, schon gar nicht mit dem Klo." Werginz empfiehlt, zunächst die ganze Wohnung per Hauptschalter hell zu erleuchten, die Besichtigung dann zum Beispiel mit der maßgeschneiderten Pappküche zu beginnen. "Auch eine Besichtigung muss man inszenieren."

Der schwierige Wintergarten muss als Asset der Wohnung verkauft werden, darin sind sich Werginz und Haas einig. Die Gestaltung war aber selbst für die Home-Staging-Expertin schwierig. Zuerst wählte sie einen dünnen Teppich, "an dem haben sich aber die Steine des Bodens abgezeichnet. Das sieht fürchterlich aus und man kann außerdem leicht stolpern." Jetzt liegt ein dickerer, "luftiger" Teppich da, als Couchtisch bzw. Blickfang setzte Werginz einen alten Reisekoffer darauf.

Oberstes Gebot: "Nichts vertuschen"

"Keine Mängel vertuschen oder auch nur kaschieren", so lautet der "Ehrenkodex" der "Home Stager". Etwas Kreativität ist dabei natürlich erlaubt, mancher Grundriss schreit geradezu danach. Die eine Stufe hinunter zur Kellertür im Wintergarten nennt Werginz schlicht "hirnlos", sie platziert matt leuchtende Sitzgelegenheiten davor - "um den Blick zu lenken", wie sie es nennt. 

Auch im Badezimmer ist das nötig, denn es weist trotz seiner großzügigen Ausmaße nur ein einziges Waschbecken auf. Die Badewanne hat zwar eine Duschstange, aber keinen Badewannenaufsatz. "Da muss man dann davon ablenken", erklärt Werginz. Sie tut es unter anderem mit einem wuchtigen gusseisernen Handtuchhalter und mit weißen Hauspatschen, die zum Reinschlüpfen einladen.

Folie oder Jalousie im Wintergarten

Auch die großen Glasflächen des Wintergartens sind einladend - vor allem für die Nachbarn ringsum, zumal das Badezimmer schnurgerade zur Treppe nach unten, in den riesigen gläsernen Raum mit dem Reisekoffer und dem von Werginz angeschafften Bioethanol-Ofen, führt. "Wenn man da nackt herauskommt, schaut einem jeder zu", klagt sie und empfiehlt, zumindest die beiden unteren Glaspaneele des Wintergartens noch mit einer Folie zu verkleben oder mit Jalousien zu versehen.

Diese eine Investition wird neben den Kosten fürs "Home Staging" noch auf Martina Haas zukommen. Wenn die Wohnung aber dann bald zum Preis von rund 2.500 Euro pro Quadratmeter verkauft ist, wird sich die ganze Sache gelohnt haben, ist sie sich sicher. Und Werginz kann dann die Luft aus dem Queen-Size-Bett rauslassen, den Teppich einrollen und zur nächsten Home-Staging-Baustelle vorrücken. (Martin Putschögl, derStandard.at, 27.1.2012)