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Das richtige Schuhwerk für die Krise? Teilnehmer des Weltwirtschaftsgipfels in Davos wechseln ihre Schuhe nach der Ankunft.

Foto: APA/EPA/Laurent Gillieron

Pessimismus herrscht heuer in Davos beim Weltwirtschaftsforum vor. Die Probleme in der Eurozone werden als Hauptgrund dafür genannt. Der Investor George Soros sieht Deutschland als Verursacher der Krise.

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Die Diskussionsrunden am ersten Morgen in Davos sind jedes Jahr der Stimmungstest, was für die Weltwirtschaft heuer erwartet wird. Nimmt man die ersten Wortmeldungen als Gradmesser, besteht wenig Anlass zum Optimismus. Allgegenwärtig sind die Forderungen nach Lösungen - ohne dass viele konkrete Vorschläge zu hören waren.

Auch der Vertrauensindex, den PricewaterhouseCoopers jedes Jahr veröffentlicht, zeigt, dass sich die Spitzenmanager auf weitere Schocks 2012 vorbereiten. Nur 40 Prozent der befragten 1248 Manager sind sehr zuversichtlich, dass ihre Unternehmenserlöse in den nächsten zwölf Monaten steigen werden. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 48 Prozent. Nur 15 Prozent erwarten, dass sich die Weltwirtschaft heuer erholt.

So gab es auch mehrere Diskussionen darüber, wie man das Währungsrisiko im Falle eines Auseinanderbrechens der Eurozone absichern könne.

Als die Schuldigen an der Misere gelten bei diesem Treffen - mit einer Rekordbeteiligung von 2600 Teilnehmern - die Europäer. Für US-Investor George Soros ist vor allem Deutschland schuld.

Ein Mittagessen mit Journalisten, das von 21 TV-Kameras aufgezeichnet wird, nutzte er als Plattform zur Präsentation seines neuen Buches ("Financial Turmoil in Europe and the United States" ) und hielt dabei eine Brandrede: "Es ist Deutschland, das die europäische Politik diktiert." Die Sparpolitik, die Deutschland durchsetzen wolle, treibe Europa in eine deflationäre Schuldenspirale. Warum müsse der Rest von Europa wie Deutschland sein? Das sei unmöglich. "Es besteht die reale Gefahr, dass der Euro die politische Kohäsion der Europäischen Union unterminiert." Sparprogramme und Strukturreformen seien wichtig, aber es brauche auch einen Wachstumsstimulus.

Auf die Frage des Standard, ob er Prognosen des Internationalen Währungsfonds, die Eurozone habe nur eine "milde Rezession" zu erwarten, teile, sagte Soros: "Der Währungsfonds hat der Welt gesagt, nur Sparen schafft Probleme." Der IWF sei "realistischer als die Regierungen" . Europa habe in der Krise "zu wenig, zu spät reagiert .

Deutschland habe die griechische Krise noch verschärft, indem drakonische Konditionen vorgegeben wurden, argumentiert der 81-jährige Investor.

Auf diese Kritik ging die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nicht ein, die am Mittwochabend die Eröffnungsrede hielt. Sie warnte vehement vor einer "Überforderung Deutschlands". Es mache keinen Sinn, eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Euro-Hilfen zu fordern, sagte Merkel. "Ich frage mich immer, wie lange ist das glaubwürdig."

Für viele überraschend war die offen zugegebene Enttäuschung Merkels, dass die Weltgemeinschaft zu wenig Lehren aus der Finanzkrise gezogen habe. "Es reicht noch nicht aus." Die Einführung einer weltweiten Finanztransaktionssteuer wäre ein "starkes Signal" gewesen, "aber danach sieht es nicht aus" , erklärte Merkel - und erhielt heuer deutlich weniger Beifall als bei ihren bisherigen Auftritten in Davos. (Alexandra Föderl-Schmid aus Davos, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.1.2012)