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Demonstranten am Tahrir-Platz.

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Der Tahrir-Platz in Kairo am Mittwochvormittag.

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Schon Dienstagabend versammelten sich erste Demonstranten.

Foto: Khalil Hamra/AP/dapd

Kairo/Wien – Wie am 25. Jänner vor einem Jahr machten sich am Mittwoch zehntausende Ägypter und Ägypterinnen in Kairo auf, um aus allen Richtungen kommend auf dem zentralen Tahrir-Platz zusammenzukommen. Vor einem Jahr hatte sie alle ein Ziel vereint: das Ende des Regimes von Hosni Mubarak.

Genau genommen gab es bereits damals unterschiedliche Auffassungen darüber, wie radikal der Schnitt sein sollte. Manche Ägypter hätten sich mit den Reformversprechen zufriedengegeben, die der alte müde Mann vor seinem Rücktritt am 11. Februar in seinen Reden ablegte. Das war die erste Spaltung der Revolution. Dazu ließ die Unsicherheit auf den Straßen – zum Teil gewiss auch von Agenten des alten Regimes verbreitet – die Revolutionäre als Kraft dastehen, die zwar Befreiung, aber auch Chaos versprach.

Ein Jahr danach ist Ägypten politisch frei in dem Sinn, dass die erste gewählte Volksvertretung ihre Arbeit aufnehmen kann. Es ist ein Paradoxon, dass sie von Kräften dominiert wird, die die Revolution mehr oder weniger verschlafen haben – die Muslimbrüder – beziehungsweise nicht mitgetragen haben – die Salafisten. Gemeinsam kommen sie auf 70 Prozent. Jene Kräfte, die im Westen zu Recht als repräsentativ für die ägyptische Revolution und zu Unrecht als repräsentativ für die ägyptische Gesellschaft angesehen wurden, sind in diesem Parlament völlig marginalisiert. Die Erklärung für ihre Niederlage bei den Wahlen, nämlich dass sie politisch schlecht organisiert waren, greift viel zu kurz. Ägypten ist konservativ.

Salafisten nehmen an Politik teil

Das heißt nicht, dass alles beim Alten blieb. Die zwei großen islamistischen Blöcke mussten sich, um vom Umsturz zu profitieren, zumindest äußerlich radikal wandeln: die Muslimbrüder mit der Gründung einer Partei (Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, FJP), im Grunde also einer Entpolitisierung der "alten" Bruderschaft. Da aber das Personal - typisch dafür der Parlamentssprecher Saad al-Katatni – von einer Sphäre in die andere gehievt wurde und den Muslimbrüder-Mitgliedern untersagt wurde, eine andere Partei als die FJP zu wählen, bleibt noch zu sehen, was aus dieser angeblichen Trennung wird. Für die Salafisten bedeutete der Politikeinstieg überhaupt einen radikalen Bruch: Sie nehmen nun an politischen Prozessen und Institutionen teil, die sie im Grunde als "unislamisch" ablehnen.

Die Feiern zum ersten Revolutionstag wurden vom Obersten Militärrat organisiert – der am 11. Februar die Revolution entschieden hatte, indem er Mubarak in die Pension schickte. Aus heutiger Sicht würde man eher das Wort Militärputsch bemühen, am ersten Jahrestag wird jedenfalls auf dem Tahrir-Platz das Ende der Herrschaft der Junta von Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi gefordert. Auch international werden ihr die allerschlechtesten Noten ausgestellt, was Menschenrechte, Pressefreiheit, Machtteilung etc. betrifft.

Das Match um die Macht wird aber nicht auf dem Tahrir-Platz entschieden werden, sondern hinter den Kulissen, zwischen Muslimbrüdern und Militärs. Die ungute Erwartung ist, dass sich die beiden größten Gruppen arrangieren. Schon bei den großen Demonstrationen vor den Parlamentswahlen nahmen die Muslimbrüder nicht mehr teil. Nächstes Jahr um die Zeit wird man mehr über Ägypten wissen: Da gibt es eine neue Verfassung und einen neuen Präsidenten.(DER STANDARD Printausgabe, 26.1.2012)