In Österreich gibt es derzeit rund 27.000 Schüler/-innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Hälfte dieser Kinder besucht eine Sonderschule, die andere Hälfte eine Integrationsklasse in einer Regelschule. Das ist seit 10 Jahren unverändert. Das doppelgleisige System ist das teuerste überhaupt, aber im Sinne der Schüler/-innen nicht das sinnvollste. Daher plädiere ich für die Schließung der Sonderschule zu Gunsten eines qualitätsvoll inklusiven Unterrichts. Von den neuen Rahmenbedingungen, wie zwei Lehrer/-innen, offener Unterricht, individualisierte Lehrpläne etc. würden nicht nur die behinderten, sondern auch die nicht behinderten Kinder profitieren.

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gibt vor, dass der richtige Weg die Inklusion behinderter Kinder ins Regelschulwesen ist. Studien belegen klar, dass sich für derart geschulte behinderte Kinder ehr Chancen eröffnen. Die spätere Integration in die Gesellschaft wird erleichtert, ebenso der Einstieg in den Arbeitsmarkt. Kinder mit Sonderschulabschluss werden dagegen schon beim Berufseinstieg massiv benachteiligt.

Das System Sonderschule hat sich überholt. Von allen Schülern besuchen drei (Tirol) bis sechs Prozent (Wien) die Sonderschule, aber nur ein Prozent ist tatsächlich als behindert einzustufen. Die Differenz ist leicht erklärt: 28 Prozent aller Sonderschulkinder haben einen Migrationshintergrund. Hier werden Kinder, die aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen kommen oder die Sprache nicht gut beherrschen, zu behinderten Kindern "gemacht". Die Sonderschule ist zu einer Aussonderungsschule geworden!

Meine Forderung nach der Abschaffung von Sonderschulen bedeutet keinesfalls eine Geringschätzung der dort tätigen Lehrer. Im Gegenteil: Hier wird wertvolle Arbeit geleistet, die wir auch in Zukunft mehr denn je benötigen - aber zur Weiterentwicklung eines inklusiven Schulsystems.

Ein Schlüssel ist auch die Lehrerfortbildung, hier müsste sichergestellt werden, dass alle neuen Lehrer/-innen Grundkenntnisse im inklusiven Unterricht erwerben. Und warum soll es nicht auch behinderte Lehrer/-innen geben? Derzeit sind ja behinderte Lehramtskandidaten durch die Hochschul-Zulassungsverordnung 2007 ausgegrenzt, sie werden an den Pädagogischen Hochschulen nicht aufgenommen. Die Inklusion beginnt aber im Lehrerzimmer! (Franz-Joseph Huainigg, DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2012)