Die Debatte über eine neuerliche Aufstockung des Euro-Rettungsschirms ist voll entbrannt. Die österreichische Regierung wäre dafür, die Zustimmung der Grünen scheint in greifbarer Nähe zu sein.

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Brüssel/Wien - Manchmal überholt sich die Politik selbst. In der Nacht auf Dienstag beschlossen die Euro-Finanzminister in Brüssel die Details zum permanenten Rettungsfonds ESM. Dieser soll ab Mitte 2012 in Kraft gesetzt werden und über ein effektives Volumen von 500 Milliarden Euro verfügen.

Gleichzeitig brach eine neuerliche Debatte aus, ob die Kapazitäten nicht auf 750 Milliarden aufgestockt werden sollen, in dem die noch verbleibenden Mittel des aktuellen Rettungsfonds EFSF, also rund 250 Milliarden, weiter genutzt werden. Ursprünglich war gedacht, dass der ESM den EFSF ablöst. "Ich glaube, das ist konsensfähig", deponierte Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) zum Vorschlag, beide Fonds parallel laufend zu lassen. In Wien signalisierte auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) Unterstützung.

Gegessen ist die Sache aber offenbar noch nicht. Im Büro Fekters hieß es später, die Diskussion sei noch nicht abgeschlossen, es gebe auch Gegner einer Aufstockung. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble meinte gar, Meldungen über die Aufstockung des Rettungsschirms seien "ohne Grundlage in der Realität". Allerdings hatte auch die Financial Times berichtet, Deutschland könne mit einem Volumen von 750 Mrd. Euro leben, wenn die anderen Euro-Länder einem strengen Fiskalpakt zustimmen. Schäuble muss freilich noch Mitstreiter in der CSU und der FDP überzeugen, die jede weitere Aufstockung ablehnen.

Schwierige innenpolitische Lage

Innenpolitisch schwierig gestaltet sich die Lage auch in Österreich. FPÖ und BZÖ forderten am Dienstag, das "Pyramidenspiel" rund um den Euro müsse beendet werden. Vorsichtige Zustimmung kommt von den Grünen, auf die die rot-schwarze Regierung beim ESM angewiesen ist. "Ein größeres Volumen ist sinnvoller als ein kleineres", sagte Budgetsprecher Werner Kogler zum Standard. Die endgültige Entscheidung hänge aber nicht zuletzt von den Rechten des heimischen Parlaments bei möglichen künftigen Rettungsmaßnahmen ab, so Kogler.

Die Diskussion über die Größe des Rettungsschirms bricht immer wieder aus - nicht zuletzt, weil große Länder wie Italien im Ernstfall nicht aufgefangen werden könnten.

Welche Folgen hätte die Aufstockung für den Staatshaushalt? Das ist noch schwierig zu beantworten. Im Budget müssen Haftungen nicht berücksichtigt werden, bereits geleistete Zahlungen an Krisenländer (Griechenland, Irland, Portugal) erhöhen aber den gesamtstaatlichen Schuldenstand.

Das potenzielle Risiko würde sich bei einem Volumen von 750 Milliarden aber natürlich erhöhen. Zur Erklärung: Für den Dauerschirm ESM muss Österreich eine Barzahlung von 2,2 Milliarden leisten, dazu kommen Garantien von bis zu 17 Milliarden.

Für den EFSF wurden zusätzlich Haftungen von bis zu 21,6 Milliarden zugesagt (wovon rund ein Fünftel bereits eingegangen wurde). Eigentlich hätte er, wie gesagt, die operative Arbeit einstellen sollen, sobald der ESM funktionsfähig ist. Wird er mit den verbliebenen 250 Milliarden Euro parallel zum ESM weitergeführt, könnten auf Österreich also noch Haftungen von rund 12 Milliarden zukommen, die eigentlich nicht geplant waren.

Schlechte Stimmung

All die Debatten über milliardenschweren Rettungspakete schlagen sich auch in der Sympathie für den Euro nieder. Die Zustimmung zur Gemeinschaftswährung sei von 2010 auf 2011 von 64 auf 58 Prozent gesunken, berichtete der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Richard Kühnel, am Dienstag. Trotzdem vertrauen die Österreicher dem Euro mehr als der Durchschnitt der Bevölkerung in den 17 Euro-Staaten (56 Prozent). In Griechenland schnellte die Zustimmung sogar von 53 Prozent auf 73 Prozent hinauf. Auch in Finnland (von 64 auf 70 Prozent), in den Niederlanden (52 auf 63 Prozent), in Deutschland (52 auf 57 Prozent), Portugal und Spanien stieg die Zustimmung. (Günther Oswald, Adelheid Wölfl, DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2012)