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Die Bluttestverpflichtung soll vor allem Polizisten Sicherheit geben, die fürchten, mit HIV angesteckt worden zu sein. Verfassungsexperte Funk spricht von "gesetzlichem Huschpfusch".

Foto: APA/Gindl

Wien - Nach Spuck-, Beiß- oder Stichattacken durch Festgenommene, Häftlinge oder Patienten quäle die Angst, sich im Dienst mit dem HI-Virus angesteckt zu haben, Polizisten, Justizwachebeamten und Sanitäter "über Wochen, ja Monate", schildert der Sicherheitssprecher der SPÖ, Otto Pendl. Auch, wenn das Virus, das Aids auslösen kann, nach Stand der Wissenschaft nicht durch Tränen, Schweiß, Speichel oder Urin übertragen wird, sondern nur durch Blut, durchlebten die Betroffenen und ihre ganze Familie dann "einen wahren Albtraum".

Daher, so Pendl, sei es höchst begrüßenswert, dass in solchen und ähnlichen Fällen die als Virusträgerin verdächtigte Person seit Jänner 2012 zu einem Bluttest gezwungen werden kann: "Damit wurde eine langjährige Forderung erfüllt. Und dagegen hat eigentlich niemand etwas gehabt", erinnert sich der Nationalratsabgeordnete an den Justizausschuss am 5. Oktober 2011, als der diesbezüglichen Initiativantrag von SPÖ und ÖVP eingebracht wurde.

In letzter Minute eingebracht

Mit diesem Antrag wurde der auf der Tagesordnung stehenden, vieldiskutierten Terrorismuspräventionsgesetznovelle in letzter Minute ein themenferner Zusatz beigefügt. In Paragraf 123 Strafprozessordnung, die die Durchführung körperlicher Untersuchungen regelt, wurde eine weitere Bestimmung hinein montiert.

Stehe jemand unter Verdacht der "vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten" (Paragraf 178 Strafgesetzbuch), so dürfe ihm auch ohne Einwilligung Blut abgenommen werden. "Vor 2012 war dies nur bei Täterermittlungen wegen Sexualverbrechen und schweren, in alkoholisiertem Zustand begangenen Straftaten möglich - jetzt auch in HIV-Weitergabe-Verdachtsfällen. Und die Blutabnahme kann laut Paragraf 93 Strafprozessordnung, der Zwangsgewalt und Beugemittel regelt, von der Kriminalpolizei sogar erzwungen werden", kritisiert der Wiener Anwalt Helmut Graupner

Er hat die neue Regelung beim Verfassungsgerichtshof angefochten, im Namen eines Klienten, dem eine Bluttest-Zwangsvorführung drohe: Der HIV-positive Schwule ist von einem anderen, nach Suchtgift- und Vermögensdelikten mehrfach vorbestraften Mann wegen HIV-Ansteckung angezeigt worden. Davor hatte er den Suchtkranken selbst wegen Erpressung belangen wollen. Dieses Verfahren wurde eingestellt.

"Eindeutig verfassungswidrig"

Der neue Bluttest-Zwang, so Graupner, eröffne dem Begleichen von derlei privaten Rechnungen ein weites Feld. Und er sei "eindeutig verfassungswidrig", wie der Verfassungsgerichtshof bei Bluttests alkoholverdächtiger Autofahrer bereits erkannt habe.

Dieser Meinung will sich Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk nicht voll anschließen. Laut Artikel drei der Europäischen Menschenrechtskonvention seien körperliche Eingriffe wie Blutabnahme untersagt - es sei denn, ein "starkes öffentliches Bedürfnis" bedinge anderes. Doch auch, wenn die Angst von Polizisten vor HIV ein solches sei: "Es ist absolut säumig, eine derart sensible Materie huschpfusch ohne Verfassungsmehrheit zu beschließen." (Irene Brickner, DER STANDARD; Printausgabe, 25.1.2012)