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Nicht die Drei Zinnen in den Dolomiten, sondern der Mount Kenia: Aber auch Maler Herbert Brandl irrte zunächst und hielt die Fotovorlage seiner Malerei für die Südtiroler Felsmassive.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien - Schroff und dunkel statt angenehm und farbig. Dem Widerständigen gegenüber dem Populären in Herbert Brandls Werk den Vorzug zu geben war Kurator Florian Steininger wichtig. "Spröde" nennt der 52-jährige Künstler diese Auswahl für die Werkschau im Kunstforum. Einmal nicht direkt mitzumischen, nicht alles - so wie 2009 in den Deichtorhallen Hamburg - unter Kontrolle zu haben sei jedoch auch sehr angenehm.

Retrospektive war und ist allerdings keine der beiden Ausstellungen. Großformatiges aus den Jahren 2003 bis 2009 bot man in Hamburg, und auch die Albertina zeigte im Vorjahr nur neueste Arbeiten. Da reicht die Wiener Präsentation viel weiter zurück: etwa zu Brandls Anfängen in den frühen 1980er-Jahren, als die totgesagte Malerei um Terrain rang. Während Peter Weibel, sein Lehrer an der Grazer Hochschule, stets am neuesten Medium dran war, wirkte Brandl im uralten Medium Malerei: Auf kleinem Format - van Gogh vor Augen - malte er schlampige Blumenbilder; in dicker pastoser Ölfarbe materialisierte er sie regelrecht. Eine Gruppe, die Steininger in Wien aber in einen kleinen Schlurf gesteckt hat.

Separiert wurden auch die jüngeren Farbräusche: etwa die extreme, fast schon psychedelische Magenta-Huldigung (2010) mit einem aggressiv grünen Berg (2008) als Gegenüber. Eher abseits auch die populären Berge des letzten Jahrzehnts: vom Everest über den Mount Kenia bis zum jüngsten, keiner Naturvorlage, sondern dem Künstlerkopf entspringenden Massiv.

Malerei ohne konkreten Plan

Eine konkrete Vorstellung hat Brandl dabei aber nicht; er denke sogar an völlig anderes. "Ich bin konzentriert wie ein Zen-Maler". Das bedeute, völlig frei zu sein von zielgerichteten Vorstellungen. Braun oder bunt, das sei egal. Alles entstehe automatisiert und ohne ein Vorhaben. An anderer Stelle sagt er über die ungeplant aneinanderstoßenden Farbflächen: "Diese Kanten finde ich auf der Leinwand". Ein Finden und Fließen in Intervallen von nur 20 Minuten. Währenddessen plaudert er sogar mit seinem ihm jüngst assistierenden Kurator. Entsprechend ihrem Konversationsthema könnte man einem der titellosen Werke auch den Spitznamen "Lamborghini-Berg" oder "Porsche-Gipfel" geben.

Im Kunstforum streben Brandls Kolosse nun auf kleinstem Raum gedrängt in die Höhe. Im tiefen Tal dazwischen: der Betrachter. Eine Gruppe, für die man Brandl, den passionierten "Bergseher" und Mineraliensammler das Etikett "Bergmaler" aufgepickt hat. Steininger reißt es nun wieder herunter, holt den "anderen Brandl" - "seinen" Brandl - nach vorn: Zentral und luftig präsentiert man dessen "venezianische Zeit", die atmosphärischen, vorimpressionistischen, von den Meistern des Kunsthistorischen Museums wie Tizian oder Rubens beeinflussten Arbeiten.

Ursprünglich wollte man die Altmeister, deren Nachhall - als Erinnerungen abgespeicherte Strukturen, Details und in erster Linie Farbigkeiten - der Künstler Jahre später oft unbewusst abruft und auf Leinwand transferiert, in trauter Zweisamkeit mit Brandls Derivaten präsentieren. Kompakten Ersatz dafür bietet der Katalog; für mehr muss man sich nun doch ins Haus am Ring bequemen.

Aber auch das Davor, die "documenta-Zeit Brandls" (1992) mit ihrem langen, offenen Schaffensprozess, greift man heraus. "Jene aus hunderten Gesten und Unzulänglichkeiten geschichteten Bilder, die nie vollendet sind". Der "andere" Brandl, das sind auch der übermalte Boden aus Franz Wests Atelier oder die hyänenartigen, angriffslustigen Mischwesen - Brandls erste bildhauerische Arbeiten. Sie sind in einem dem Tod mit Humor und Ironie begegnenden Raum platziert. Schließlich ist Brandl dem Gevatter schon einmal erfolgreich von der Schaufel gesprungen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe 25.1.2012)