Eine mangelhafte Betriebsratswahl kann nur von Arbeitnehmern oder unterlegenen Wahlwerbern angefochten werden. Selbst bei Zählung ungültiger Stimmen hat der Arbeitgeber keine Chance.

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In einem Betrieb mit insgesamt acht stimmberechtigten Arbeitern wurde eine Betriebsratswahl durchgeführt. Als Ergebnis verkündete der Wahlvorstand für den einzigen Wahlvorschlag fünf gültige Stimmen. Dies wollte jedoch die Mehrheit der Arbeiter nicht so recht glauben.

Tatsächlich stellte sich heraus, dass nur ein Mitarbeiter für den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden gestimmt hatte (vermutlich er selbst). Ein zweiter Mitarbeiter schrieb auf den Stimmzettel neben den (einzigen) Wahlvorschlag das Wort "Nein". Und vier weitere Stimmzettel wurden leer abgegeben. Dies war den Dienstnehmern vor der Wahl geraten worden, wenn sie gegen den Wahlwerber stimmen wollten. Von wem diese Information gekommen war, konnte jedoch später nicht mehr festgestellt werden.

Der Arbeitgeber klagte auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Die unteren beiden Instanzen gaben ihm recht. Da die Mehrheit der an der Wahl teilnehmenden Arbeitnehmer gegen den einzigen Wahlwerber stimmen wollte, sei die Auszählung der Stimmen falsch erfolgt. "Elementare Grundsätze" einer Wahl seien dadurch außer Acht gelassen worden. Auch das für eine demokratische Vertretung zentrale Repräsentationsprinzip verlange, dass die Wahl als unwirksam festgestellt werde.

Die Rechtsfolgen einer nichtigen Betriebsratswahl sind weitreichend. Alle vom "Betriebsrat" gesetzten Akte (z. B. Abschluss von Betriebsvereinbarungen, Widerspruch zur Kündigung) sind ebenfalls unwirksam. Soweit dies überhaupt möglich ist, müsste eine neue, ordnungsgemäß gewählte Arbeitnehmervertretung diese Rechtshandlungen nachholen. Wird etwa der Betriebsrat in einer Betriebsversammlung durch Handheben gewählt, so wäre diese Wahl wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der geheimen Wahl nichtig.

Neben der Nichtigkeit kennt das Gesetz auch die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl. Hierfür steht nach der Verkündung des Wahlergebnisses eine einmonatige Frist zur Verfügung. Der Arbeitgeber kann allerdings nur bestimmte Anfechtungsgründe aufgreifen (z. B. wenn eine falsche Anzahl von Betriebsratsmitgliedern gewählt wurde). Ein umfassendes Anfechtungsrecht kommt hingegen jedem stimmberechtigten Arbeitnehmer zu.

Im oben erwähnten Fall hob der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichts auf (25. 10. 2011, 9 ObA 40/11i). Die Klage des Arbeitgebers auf Feststellung der Nichtigkeit wurde abgewiesen. In der Begründung bestätigte der OGH zwar, dass die leeren Stimmzettel vom Wahlvorstand zu Unrecht als gültige Stimmen gezählt worden waren.

"Wahrer Wille" zählt nicht

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass dadurch "elementare Grundsätze einer Wahl" verletzt worden seien, teilte der OGH jedoch nicht. Er führte aus, dass diese rechtliche Beurteilung vor allem auf den gerichtlichen Feststellungen zum "wahren Willen" der wahlberechtigten Arbeitnehmer fuße.

Solchen Feststellungen stünde allerdings zum einen der Grundsatz der geheimen Wahl entgegen. Zum anderen gehe es dem Gesetz darum, ob ein Verstoß gegen die Bestimmungen zur Betriebsratswahl "geeignet" sei, "das Wahlergebnis zu beeinflussen". Auf den "wahren Willen" der Arbeitnehmer werde hingegen nicht abgestellt.

Im konkreten Fall könne man trotz der unrichtigen Auszählung der Stimmen nicht vom "Zerrbild einer Wahl" sprechen. Aus Gründen der Rechtssicherheit habe nämlich der Gesetzgeber die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl nur bei besonders schwerwiegenden Verstößen anordnen wollen. Die Wahl hätte daher bloß von einem Arbeitnehmer binnen eines Monats angefochten werden können.

Für die Praxis belegt diese Entscheidung vor allem, dass Mängel bei der Betriebsratswahl primär von den Wahlberechtigten oder einem unterlegenen Wahlwerber aufgegriffen werden sollten. Im Unterschied zum Arbeitgeber können sie nämlich jegliche Verstöße gegen wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens geltend machen, wenn dadurch eine Beeinflussung des Ergebnisses möglich war. Dass der einzige Wahlwerber aufgrund von ungültigen Stimmen gewählt wurde, reicht für eine Wahlanfechtung durch den Arbeitgeber jedenfalls nicht aus. (Andreas Tinhofer, DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2012)