Madrid - Wegen seiner Ermittlungen zu Verbrechen während der Diktatur von General Francisco Franco (1939-75) in Spanien muss sich der Richter Baltasar Garzon als Angeklagter vor Gericht verantworten. In dem umstrittenen Prozess, der am Dienstag vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid eröffnet wurde, hielt die Anklage dem Juristen vor, ein Amnestiegesetz aus dem Jahre 1977 ignoriert und seine Befugnisse überschritten zu haben. Garzon droht ein Berufsverbot von bis zu 20 Jahren.

Angehörige von Opfern des Franco-Regimes (1939-1975) und Mitglieder von internationalen Menschenrechtsorganisationen protestierten vor dem Gericht gegen das Verfahren. "Dieser Prozess ist ein riesiger Unsinn", sagte Hugo Relva von Amnesty International. Der US-Jurist Reed Brody von Human Rights Watch betonte: "Dies ist das erste Mal, dass in einem demokratischen Staat einem Richter der Prozess gemacht wird, weil er die Menschenrechte verteidigt hatte."

Garzon hatte sich wegen seiner Ermittlungen gegen ehemalige Militärherrscher in Lateinamerika weltweit einen Namen als "Tyrannenjäger" gemacht. Er wollte als erster spanischer Richter den Gräueltaten nachgehen, die bei der Errichtung der Franco-Diktatur verübt worden waren. Franco und seine Schergen hatten nach dem Ende des Bürgerkriegs (1936-1939) Zehntausende Gegner aus politischen Gründen ermorden lassen.

Die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger Garzons stellten zu Prozessbeginn den Antrag, das Verfahren einzustellen. Sie begründeten dies damit, dass weder die Anklagebehörde noch Gruppen von Betroffenen die Erhebung einer Anklage unterstützt hätten. Sie legten dem zuständigen Ermittlungsrichter Luciano Varela, der Garzon auf die Anklagebank gebracht hatte, zur Last, gegen "elementare Verfahrensregeln" verstoßen zu haben. Der Richter habe einer rechtsgerichteten Organisation Tipps gegeben, wie sie ihr Klagegesuch abzufassen habe, damit es angenommen werden könne.

Für die Verbrechen der Franco-Diktatur hat die spanische Justiz nie einen Verantwortlichen des Regimes vor Gericht gestellt. Sie hat sich auch nicht daran gemacht herauszufinden, welche Gräueltaten Franco und seine Gefolgsleute verübt hatten. Der britische Historiker und Spanien-Experte Bill Preston schätzt, dass das Regime etwa 180 000 Gegner umbringen ließ. Garzon hatte das Tabu in der spanischen Justiz brechen wollen und 2008 Ermittlungen eingeleitet. Er musste das Verfahren aber bald einstellen, weil übergeordnete Instanzen ihn für nicht zuständig erklärten.

Der Richter stand bereits in der vorigen Woche in einem anderen Verfahren als Angeklagter vor Gericht. Dabei ging es darum, dass Garzon die Gespräche zwischen Verdächtigen in einem Korruptionsskandal und deren Rechtsanwälten abhören ließ. In diesem Prozess wird in Kürze das Urteil erwartet. Zu dem Prozesstermin am Dienstag, bei dem es auch um Ermittlungen zu Verbrechen des Franco-Lagers während des Spanischen Bürgerkriegs (1936 bis 1939) ging, erschien Garzon demonstrativ in seiner Juristenrobe. (APA)