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Twitter- Gründer Jack Dorsey: "Wenn US- Abgeordnete wissen wollen, was ihre Wähler von den Anti- Piraterie- Gesetzen halten, brauchen sie nur am Handy mitlesen". Das Microblog will noch heuer ein deutsches Büro aufmachen.

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Was vor sieben Jahren als kleines Happening für geladene Gäste begann, hat sich längst zu einer Plattform für das digitale Leben ausgewachsen. Investoren, Unternehmer und Manager, Politiker und Künstler treffen seither jährlich bei der Münchner Konferenz DLD (Digital Life Design) auf jene Innovatoren, die voller Ideen für das nächste "big thing" sind, mit dem Potenzial Arbeit, Kommunikation und Geschäft zu verändern.

200 Millionen Tweets täglich

So hatte sich wohl auch der Gastgeber, Verleger Herbert Burda, bei der ersten Konferenz 2005 kaum vorstellen können, dass kurz darauf ein Kommunikationsdienst gegründet würde, der wenige Jahre später im Arabischen Frühling eine zentrale Rolle spielen sollte: das Microblog Twitter, das in knappen 140 Zeichen neueste Entwicklungen rund um den Globus "tweetet".

Wie es mit Twitter weitergehen soll verriet heuer einer der Mitgründer, der 35-jährige Jack Dorsey, erstmals am DLD-Podium. Weltweit werden inzwischen täglich mehr als 200 Millionen Tweets produziert. Doch die soziale Komponente, der aktive Austausch von Nachrichten der Nutzer untereinander, sei nur ein Aspekt der Plattform, sagte der schüchtern wirkende Dorsey. Der Dienst entwickle sich zunehmend zum Ersatz für andere Medien: "Ich lese keine News mehr, sondern öffne Twitter, wenn ich in Echtzeit erfahren will, was in der Welt passiert."

200 Millionen registrierte Mitglieder

Nur etwa die Hälfte der 200 Millionen registrierten Mitglieder nutzt das Angebot aktiv, während der Großteil dem Nachrichtenstrom einfach als persönlichen Informationskanal folgt. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, braucht Twitter künftig bessere Filter- und Sortiermöglichkeiten. Damit in Zusammenhang steht der Kauf des Start-ups Summify, das Nutzern nach persönlicher Relevanz sortierte und zusammengefasste Postings aus sozialen Netzen als E-Mails zuschickt.

Weiteres Wachstumspotenzial sieht Dorsey im deutschsprachigen und asiatischen Raum (mit Ausnahme Chinas, wo Twitter von der Zensur blockiert wird). Darum soll noch heuer in Deutschland Twitters drittes Auslandsbüro nach Irland und Großbritannien eröffnet werden.

Werkzeuge zur Demokratisierung

Dass soziale Medien zunehmend wichtige Werkzeuge zur Demokratisierung sind, waren sich Dorsey und sein Publikum einig. Und das nicht nur in politisch unterdrückten Ländern, sondern auch in den USA: Bei den Protesten in der Vorwoche gegen zwei umstrittene Gesetzesinitiativen gegen Online-Piraterie (SOPA und PIPA) hätten die Politiker die Debatten darüber am Handy in Echtzeit verfolgen können.

Auch EU-Kommissarin Viviane Reding kritisierte die US-Gesetzesvorhaben, die drakonische Strafen wie Netzsperren gegen den Bruch von Urheberrechten im Internet vorsehen. Freiheit des Internets und Schutz der Urheberrechte seien "Partner, nicht Feinde". Diese Woche will Reding die neue EU-Datenschutzrichtlinie vorstellen, die für einheitlichen Datenschutz in der EU sorgen soll.

Produktionsprozesse

Dass das Internet nicht nur Staaten demokratisiert, sondern auch Produktionsprozesse ist Peter Weijmarshausen, CEO von Shapeways überzeugt. Das niederländische Philips-Spinoff verspricht, die Kostenvorteile von Massenprodukten mit der persönlichen Note individueller Stücke zu verknüpfen. Hobby- oder Profidesigner können auf der Plattform etwa ihren Entwurf für Schmuck hochladen oder ein Modell aus dem Shop auswählen, Shapeways produziert sie mittels 3-D-Drucker. In rund zehn Tagen bekommen sie dann ihre Schmuckstück in gewünschter Stückzahl zugesandt. 750.000 solcher 3-D-Druckwerke "On Demand" hat Shapeway im Vorjahr bereits produziert. (Karin Tzschentke aus München/ DER STANDARD Printausgabe, 24. Jänner 2012)