Wien - Seit Anfang April 2010 sitzt Richard St., der mutmaßliche Boss der am Wiener Gürtel etablierten Rotlicht-Szene, in U-Haft. Nach langwierigen Ermittlungen liegt nun die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vor. Diese hat es in sich: Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella wirft dem 41-Jährigen und fünf Mitangeklagten vor, mit zahlreichen abgesondert verfolgten Personen eine auf die Begehung von strafbaren Handlungen ausgerichtete mafiaähnliche Organisation gebildet und sich "im großen Umfang" bereichert zu haben.

Spätestens 1998, so die Staatsanwältin, habe Richard St. als Nachfolger des zu diesem Zeitpunkt in U-Haft befindlichen Harald H. endgültig die Kontrolle über die Wiener Rotlicht-Lokale übernommen, wobei vor allem die beiden Mitangeklagten Peter A. und Dusko R. alias "Rocky" als seine Handlanger Angst und Schrecken verbreitet hätten.

Schutzgelderpressungen

Abgesehen davon versuchte Richard St. laut Anklage auch über gute Kontakte zu Journalisten und Politikern an Einfluss zu gewinnen, wobei die Staatsanwältin in diesem Zusammenhang eine ehemalige Grünen-Politikerin erwähnt, die in einem Etablissement der Rotlicht-Größe eine Buchpräsentation durchgeführt haben soll.

Dem Tenor der Anklage gemäß soll Richard St. im Lauf der Jahre mit seinem auf Schutzgelderpressung angelegten "Nokia-Club" geschäftliche Konkurrenten in Wien und Oberösterreich geradezu terrorisiert haben. Wer brav gezahlt habe, habe sich bei Bedarf der Hilfe des Rotlicht-Bosses sicher sein dürfen. So soll er dafür gesorgt haben, dass ein Mann, der Gelder veruntreut hatte, in seinem Auftrag in einem Pkw entführt und während einer 25 Kilometer langen Fahrt grün und blau geschlagen wurde.

Buttersäure-Anschläge

In der Anklage werden weiters zwei Buttersäure-Anschläge auf Lokale missliebiger Konkurrenten erwähnt. Eine im Rotlicht tätige Geschäftsfrau aus dem Bezirk Ried im Innkreis, die Richard St. offenbar ins Gehege gekommen war, wurde laut Anklage im Juli 2004 nachts von einem mit einem schwarzen Vollvisierhelm getarnten Mann überfallen, der so lange mit einem Baseballschläger auf sie einschlug, bis sie sich tot stellte. Die bei diesem Angriff schwer verletzte Frau leidet seither an einer posttraumatischen Belastungsstörung, weshalb dieses Delikt als absichtliche schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen angeklagt ist.

Zudem war den Ausführungen der Anklagebehörde gemäß eine "Vergeltungsaktion" gegen eine ehemalige Lebensgefährtin eines Mitangeklagten geplant, die man angeblich Anfang 2010 mit Chloroform betäuben, auf die Donauinsel bringen, entkleiden und ins Wasser werfen wollte. Obwohl die Frau wochenlang ausgekundschaftet wurde, gelangte die Tat nicht zur Ausführung.

Noch ist nicht klar, wann die Verhandlung gegen den mutmaßlichen Rotlicht-Boss und seine angeblichen Handlanger stattfinden wird. Die Verteidiger haben bis Ende Jänner Zeit, allfällige Einsprüche gegen die Anklage vorzubringen. (APA)