Viele Moscheen wurden von ausländischen Finanzgebern errichtet, etwa aus Saudi-Arabien oder der Türkei. Man müsste in diesem Fall verstärkt auf die ideologische Agenda der Sponsoren achten, gibt Akšamija zu bedenken.

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Bevor Azra Akšamija über die Tendenzen im Wiederaufbau religiöser Architektur in Bosnien zu sprechen kommt, muss sie naturgemäß zuerst über die Zerstörung dieser berichten. Sie spracht bei ihrem Vortrag in der "IG Architektur" in Wien am 20. Jänner von "cultural warfare", "kultureller Kriegsführung." Die Zerstörung von Kirchen und Moscheen im jüngsten Balkankrieg hätte systematisch das Ziel verfolgt, die Erinnerung an die Existenz der jeweils gegnerischen Volksgruppe zu tilgen, und den "Wunsch nach einem Zusammenleben der Volksgruppen" zunichte zu machen.

Symbolwirkung religiöser Architektur

Auf den gezeigten Bildern sind brennende Ruinen zu sehen, unter anderem das alte Rathaus von Sarajevo, ´"Vijećnica", in dem die Nationalbibliothek untergebracht war, und das während des Krieges im August 1992 schwer beschädigt wurde, sodass sämtliche darin aufbewahrten Bücher und Medien zerstört wurden. Nationalisten aller kriegsführender Gruppen hätten Architektur, und in erster Linie religiöse Architektur, als Symbol erkannt und die Zerstörung systematisch vorangetrieben, um die jeweilige Volksgruppe zusätzlich zu demütigen und zu demoralisieren. So wurden nicht nur zahlreiche Moscheen und orthodoxe und katholische Kirchen zerstört, sondern auch jüdische Friedhöfe geschändet.

"Architektur steht für Menschen"

In ihrer Dissertation am MIT (Massachussetts Institute of Technology) konzentrierte sich Azra Akšamija auf die Zerstörung und den Wiederaufbau von Moscheen. Sie unterstreicht: "Minarette wurden als erste zerstört, um das Landschaftsbild zu verändern. Außerdem wurden Moscheen manchmal gezielt an bestimmten religiösen Feiertagen zerstört, oder es wurden andere kulturelle Tabus bewusst gebrochen."

Architektur steht für Menschen, davon ist Akšamija überzeugt. Moscheen stünden in diesem Fall also für die moslemische Bevölkerung Bosniens, die nach dem jüngsten Krieg mehr denn je auf Identitätssuche sei. Vor diesem Hintergrund hätte der Wiederaufbau von Moscheen auch eine soziale Funktion, nämlich die Revitalisierung von Dorfgemeinschaften: "Beim Wiederaufbau kann eine Resozialisierung stattfinden, eine Begegnung von Generationen bei den Ruinen. Die Teilnahme am Wiederaufbau hat für viele Menschen eine therapeutische Wirkung, es ist ein Weg, um mit Kriegstraumata besser umzugehen", erklärt Akšamija.

Instrumentalisierung für politische Zwecke

Der Wiederaufbau von Moscheen würde allerdings auch neue Fragen aufwerfen, wie etwa jene nach der Finanzierung. Viele Moscheen wurden von ausländischen Finanzgebern errichtet, etwa aus Saudi-Arabien oder der Türkei. Man müsste in diesem Fall verstärkt auf die ideologische Agenda der Sponsoren achten, gibt Akšamija zu bedenken, denn es stellt sich die Frage, welche Architektur eine Identität kommunizieren kann?

Ein weiterer Aspekt des Wiederaufbaus, den es zu reflektieren gilt, ist die Instrumentalisierung religiöser Architektur für politische Zwecke. "Der Krieg wird auf diese Weise gewissermaßen fortgesetzt. Bei Mostar wurde ein riesiges Kreuz aufgestellt, im Gegenzug wurde eine große Moschee mit zwei Minaretten gebaut. Diese visuellen Codes signalisieren die eigene Präsenz", so Akšamija. Größer, höher, bunter müsse man dann bauen, um in diesem architektonischen Wettlauf mitzuhalten. Dabei bleibt die traditionelle Bauweise oft auf der Strecke, geht es hier doch in erster Linie darum, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen und weniger darum, eine Umgebung für Gläubige zu schaffen.

Im heutigen Bosnien sei das Zusammenleben von Ethnien trotz gestiegener Anzahl von gemischt-ethnischen Ehen kaum möglich, bedauert Akšamija und erläutert: "Das bosnische Nationalmuseum muss geschlossen werden, weil es niemand finanzieren will, weil man sich nicht einigen kann. Überall, auf jedem Formular, muss man seine Nationalität bekanntgeben." Dennoch ist sie zuversichtlich, dass auch die Architektur als ein Medium fungieren kann, um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen und zu fördern. (Mascha Dabić, 24. Jänner 2011, daStandard.at)