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Mitarbeiter des Kreuzfahrtkonzerns Costa Crociere bei einem Trauermarsch in der Innenstadt von Genua.

Foto: AP/dapd/Luca Bruno

Giglio - Nach der Tragödie des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia vor der italienischen Küste vermuten die Behörden inzwischen, dass sich mehrere blinde Passagiere an Bord befunden haben. Zivilschutz-Einsatzleiter Franco Gabrielli erklärte, dass jene Ungarin, deren Leiche am Sonntag entdeckt wurde, nicht in den offiziellen Listen eingetragen gewesen sei. Vier weitere Todesopfer seien bisher ebenfalls nicht identifiziert worden, anhand der Passagierlisten sei dies nicht möglich.

Am Sonntag war im verunglückten Schiff von Tauchern ein 13. Todesopfer entdeckt worden. Unter den bereits identifizierten Opfern sind nach Angaben von Carabinieri-Kommandant Rocco Carpenteri ein Deutscher, vier Franzosen und je ein Mann aus Italien, Spanien und Ungarn. An Bord des verunglückten Schiffes befanden sich 4.200 Personen, darunter 77 Österreicher. Am Montag haben Einsatzkräfte zwei weitere Leichen gefunden. Dabei handelt es sich um zwei Frauen. Die Leichen befanden sich unweit des Internet-Points im Schiff. Die Zahl der Todesopfer ist damit auf 15 gestiegen, 19 Menschen werden nach wie vor vermisst, teilt der Zivilschutz mit.

Suche am Montag fortgesetzt

Die Tauchermannschaften haben am Montag die Suche nach Vermissten wieder aufgenommen. Mit Sprengkörpern wollten sich die Teams Zugang zu jenen Teilen des Wracks verschaffen, zu denen sie bisher noch nicht vordringen konnten.

In Genua, dem Hauptquartier von Costa Crociere, der Betreiberin des verunglückten Schiffes, fand am Sonntagnachmittag eine Kundgebung von Mitarbeitern der Reederei statt. Sie demonstrierten damit ihre Solidarität mit den Todesopfern, den Passagieren und den Besatzungsmitgliedern, die hunderte Menschen retteten. Die rund 600 Leute trugen Uniformen der Gesellschaft. Vor dem Sitz der Kreuzfahrtgesellschaft wurden Spruchbänder mit Solidaritätsbotschaften ausgerollt. "Wir sind eine einzige Familie", sagte die Organisatorin der Demonstration, Luana Oliveri.

Am Montag tagt das wissenschaftliche Komitee, das entscheiden muss, wann das Abpumpen des Öls in den Tanks des havarierten Schiffes beginnen soll. Costa Crociere hat dafür ein Spezialunternehmen beauftragt. Laut der italienischen Regierung können diese Arbeiten jedoch nicht in Angriff genommen werden, solange die Suche nach Vermissten im Gange ist. 2.400 Tonnen Dieselöl befinden sich in den Tanks der Costa Concordia. Sollten sie ins Wasser gelangen, wäre das Meeresschutzgebiet im Toskanischen Archipel in akuter Gefahr.

Laptop des Kapitäns wird gesucht

Die Staatsanwälte der toskanischen Stadt Grosseto suchen unterdessen nach einem verschwundenen Laptop des Kapitäns Francesco Schettino. Nach Angaben italienischer Medien hatte der Kapitän das Notebook am Vormittag nach dem Unglück einer blonden Frau übergeben. Es könnte sich um eine Rechtsanwältin von Costa Crociere handeln, berichteten italienische Medien. Costa Crociere bestreitet dies jedoch.

Der Laptop könnte für die Ermittlungen wichtige Informationen enthalten, meinen die Staatsanwälte. Kapitän Schettino war am Tag nach der Schiffskatastrophe festgenommen worden und befindet sich jetzt in seinem Heimatort Meta di Sorrento unweit von Neapel unter Hausarrest. Schettino wird von der Reederei allein für das Unglück verantwortlich gemacht.

"Verneigung war geplant und verlangt"

Der Kapitän selbst hat wiederum die Reederei für sein riskantes und misslungenes Manöver verantwortlich gemacht. Laut der Tageszeitung "La Repubblica" sagte Schettino bei einer Anhörung vor Gericht, die sogenannte Verneigung vor Giglio am 13. Jänner "wurde noch vor dem Start in Civitavecchia von Costa geplant und verlangt".

Mit Routen, die nahe an der Küste entlangführen, "machen wir Werbung für uns", zitierte der "Corriere della Sera" den Kapitän. Manöver dieser Art habe es bereits "vor Capri, Sorrento, auf der ganzen Welt" gegeben, habe Schettino gesagt.

Frau aus Moldawien soll befragt werden 

Eine junge Frau aus Moldawien, die laut Medienberichten als wichtige Zeugin des Kreuzfahrtunglücks in Italien gilt, soll von der moldawischen Polizei im Auftrag der italienischen Behörden über die Ereignisse an Bord befragt werden. Dies berichteten italienische Medien. Ein Termin für die Befragung sei bereits vereinbart worden.

Die Frau hatte vergangene Woche in einem Interview mit dem moldawischen Fernsehen Schiffskapitän Francesco Schettino verteidigt und ihn als Held bezeichnet. Zugleich hatte sie bestritten, dass sie seine Geliebte sei. Die 25-jährige Domnica Tschemortan hatte behauptet, dass sich alle Besatzungsmitglieder an Bord des havarierten Schiffes professionell verhalten hätten.

Keine blinde Passagierin

Die blonde Balletttänzerin hätte angegeben, sie sei mit Schettino zusammen gewesen, als das Kreuzfahrtschiff vor der Insel Giglio einen Felsen rammte. Die 25-Jährige sei auch auf der Kommandobrücke des Schiffes gewesen. Laut italienischen Medien war die Frau als Gast des Kapitäns an Bord gewesen. Die Reederei "Costa Crociere" entgegnete, dass die Moldawierin keine blinde Passagierin gewesen, sondern auf der Passagierliste gestanden sei.

Tschemortan sagte, sie habe für die Costa-Reederei auf anderen Schiffen gearbeitet und habe an Bord der "Concordia" ihren 25. Geburtstag feiern wollen. Zum Zeitpunkt des Unglücks habe sie mit Freunden zu Abend gegessen. Sie bestritt, dass Schettino auf der Brücke Drinks genommen habe. Um 23.50 Uhr sei sie ins Wasser gesprungen, sagte sie. "Der Kapitän hat da noch auf der Brücke gearbeitet." (APA)