Am Anfang war Jesenice: Der Klub aus der Grorenjska war im Sommer 2006 der erste nicht in Österreich beheimatete Verein, der in die Erste Bank Eishockey Liga aufgenommen wurde, steht also sinnbildlich für die Erfolgsgeschichte der internationalen Öffnung des Bewerbs. Mit spektakulärem Tempohockey und offensiver Grundausrichtung erspielte sich Jesenice rasch die Sympathien der österreichischen Eishockeyfans, erst am 56. und letzten Spieltag der Premierensaison verpasste man im Penaltyschießen unglücklich die Play-Off-Qualifikation

Übermut tut selten gut

Befeuert von der ob des sportlichen Erfolgs entstandenen Euphorie strebte Jesenices Klubführung schon ab dem zweiten Jahr nach Höherem. Am Transfermarkt zeigte man sich sehr aktiv, mit gut dotierten Verträgen lockte man Top-Legionäre wie die Schweden Conny Strömberg oder Markus Matthiasson in die kleinste Stadt der Liga. Auch dank ihnen gelang im zweiten Jahr in der neuen Liga schließlich der Sprung ins Viertelfinale, wo man jedoch im fünften und entscheidenden Spiel den Black Wings Linz unterlag.
Was auf den ersten Blick nach einer unglücklichen Niederlage in einer das Saisonende bedeutenden Play-Off-Partie klingt, war retrospektiv betrachtet mehr, nämlich der Wendepunkt in der Entwicklung des Klubs. Der 1948 gegründete Traditionsverein, den Kontinuität, starke Nachwuchsförderung und die Politik der kleinen Schritte zu einem der erfolgreichsten Sportvereine Ex-Jugoslawiens gemacht hatten (23 jugoslawische und neun slowenische Meistertitel bis 2011), verließ seinen Pfad: Obwohl im Sommer 2008 noch knapp 340.000 Euro an ausständigen Spielergehältern aus der abgelaufenen Saison zu bezahlen waren, köderte die damalige Vereinsführung nationale Eishockeygrößen wie Tomaž Razingar oder Marcel und David Rodman mit gänzlich überdimensionierten Verträgen.

Finanzielle Fahrlässigkeit

Ausgehend vom wirtschaftlichen Sündenfall des Jahres 2008 geriet der Klub in eine sich bis heute (und zuletzt immer schneller) drehende finanzielle Abwärtsspirale. Alleine die 34 für die Saison 2008/09 abgeschlossenen Verträge mit Spielern und Trainern waren mit über 1,28 Millionen Euro dotiert, Spitzenjahresgehälter kratzten an der 90.000 Euro-Marke. Die wirtschaftliche Fahrlässigkeit der Klubführung in den Jahren 2007 bis 2009 schadete nicht nur den Spielern, die teilweise bis heute auf Gehaltszahlungen warten, sie führte auch den Verein, der seine Kosten nicht mehr bedienen konnte, in eine Sackgasse.

Rigoroser Sparkurs unzureichend

Nachdem im Sommer 2009 der existenzbedrohende Schuldenstand von 1,7 Millionen Euro erreicht wurde, verordnete sich der Klub einen schmerzhaften Sparkurs. Seither wird pro Spieljahr rund eine Viertelmillion an Altlasten getilgt, dadurch jedoch das operative Budget so eingeschränkt, dass Jesenice nur noch eine bedingt konkurrenzfähige Mannschaft ins Rennen schicken kann. Lediglich 45 seiner 148 Spiele konnte der Klub seit 2009 gewinnen, fehlender Erfolg sorgt auch für ein Ausbleiben der Zuschauer (Anm.: heuer ein Rückgang von 42,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr), was den wirtschaftlichen Abwärtstrend weiter verstärkt. Sportliche Lichtblicke blieben selten, die in der letzten Saison so groß aufspielenden Rok Tičar, Žiga Jeglič und Robert Sabolič konnten trotz laufender Verträge nicht gehalten werden. Dass der Klub für das herausragende Trio (2010/11 gemeinsam 181 Scorerpunkte in der EBEL und 10 bei der A-WM) nur die lächerlich anmutende Ablöse von 6.000 Euro erhalten hat, passt ins Bild.

Probleme schon vor dem Saisonstart

Die wirtschaftlich sehr angespannte Situation verschlimmerte sich vor dem Beginn der aktuellen Saison weiter. Da der Klub die Rechnungen für die Hotelunterkünfte der Legionäre aus dem Vorjahr nicht bezahlte, musste er heuer selbst für die Unterkunft der auswärtigen Spieler sorgen und plante, sie in einem gemeinsamen Haus unterzubringen. Zustände, mit denen sich die Cracks nicht zufrieden geben wollten, schon Anfang August verließen die ersten von ihnen Jesenice wieder. Ein Trend, der sich seither vor allem aufgrund unregelmäßiger Gehaltszahlungen kontinuierlich fortsetzt: Insgesamt15 Legionäre kehrten dem Klub vor oder während der laufenden Saison den Rücken.

Chaotische Woche

Am Donnerstag verließ mit Kapitän und Nationalspieler Andrej Tavželj nun auch erstmals ein einheimischer Spieler den Verein, nachdem nur wenige Stunden zuvor Präsident Slavko Kanalec seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. Gemeinsam mit Trainer Heikki Mälkiä und Vertretern der Liga hatten die beiden bei einem Meeting am Mittwoch noch gemeinsam nach einem Ausweg aus der veritablen Krise gesucht.
Seit Wochen ist der Klub bei den Gehältern für Spieler und Trainer (Anm.: aktuelle Payroll ob des ausgedünnten Kaders bereits unter 60.000 Euro pro Monat) säumig, die Hälfte des Oktobersalärs war die letzte Zahlung, die der Verein leistete. Immer wieder wurden die Akteure in den Wochen seither vertröstet, bis 15.Jänner sollten dank des zum Jahresanfang erhaltenen Beitrags von Hauptsponsor Acroni aber alle Außenstände bei den eigenen Angestellten beglichen werden. Dass Andrej Tavželj seinen berechtigten Austritt aus dem an sich bis 2013 laufenden Vertrag erklärte und nun wohl in die Slowakei wechselt, legt die Vermutung nahe, dass auch dieser Termin nicht gehalten wurde.

Liga stellt Bedingungen

Am Freitagabend hat nun die Erste Bank Eishockey Liga erneut auf die chaotischen Zustände beim HK Jesenice reagiert. In einem von Ligapräsident Karl Safron und ÖEHV-Vizepräsident Peter Schramm signierten Schreiben wurden Garantien eingefordert. Bis Sonntag um 14.00 Uhr muss der Klub Bestätigungen seine Liquidität betreffend (Gehaltszahlungen, Ausrüstung, Reisen zu Auswärtsspielen) abgeben und die Durchführbarkeit weiterer Heimspiele verifizieren. Zudem fordert die EBEL Bekenntnisse des Trainerstabs und der Führungsspieler, die Saison zu Ende spielen zu wollen. Langen diese Garantien nicht zeitgerecht oder unvollständig im Ligabüro ein, droht Jesenice der Ausschluss aus dem laufenden Bewerb, der in weiterer Folge wohl auch das dauerhafte Ausscheiden des Vereins aus der Liga bedeuten würde.
Wie chaotisch und eigentlich aussichtslos die Situation in der Gorenjska ist, dokumentiert der Umstand, dass es nach den Verwirrungen aus Rücktritten und Kompetenzverschiebungen in den letzten Tagen aktuell keine konkrete Ansprechperson in der Klubführung gibt. Dementsprechend ist das Schreiben der Liga auch mit dem Adressaten „To whom it may concern" versehen.

Stahlwerk und Gemeinde

Ob und wie es mit Jesenice in der Erste Bank Eishockey Liga weitergeht, wird also der Sonntag zeigen. Gelingt es dem Verein, die nachvollziehbaren und angemessenen Forderungen der Liga zu erfüllen, scheint der Spielbetrieb bis Saisonende gesichert. Die zentrale Herausforderung für das Eishockey in Jesenice wird es jedoch sein, die Existenz des Klubs über das laufende Spieljahr hinaus zu wahren. Möglich scheint dies ob der drückenden Schuldenlast nur in Form eines Schulterschlusses zwischen dem langjährigen Hauptsponsor Acroni und der Stadtgemeinde. Das Stahlwerk, mit über 1.200 Angestellten größter Arbeitgeber der Region, erwartet für das Kalenderjahr 2012 einen Umsatz von 460 Millionen Euro, hat also die wirtschaftliche Potenz, den Klub zu retten. Allerdings verloren die hinter dem Unternehmen stehenden russischen Investoren in den vergangenen Jahren zunehmend das Interesse am lokalen Eishockey. Weiteres Problem: Ihr Statthalter als Acroni-Direktor ist ausgerechnet der am Donnerstag zurückgetretene Klubpräsident Slavko Kanalec.
Alles in ihrer Macht stehende tun, um den Verein zu retten, wird die Gemeinde: Sie hat in den letzten Jahren große Summen in den Umbau der Dvorana Podmežakla gesteckt, die eine der Spielstätten der Basketball-EM 2013 sein wird. Investitionen, die nur ihre Berechtigung haben, wenn die Halle dauerhaft und nachhaltig genutzt wird - vom sportlichen Aushängeschild der Region, das gestützt auf solide Finanzen und eine dadurch ermöglichte konkurrenzfähige Mannschaft im Stande ist, das zukünftige Schmuckkästchen regelmäßig zu füllen. Im Rahmen von EBEL-Spielen. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 21.Jänner 2012)