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"Es ist sehr geil, die Mannschaft auf Meuselwitz vorzubereiten."

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Standard: Wie ist das werte Befinden? Hat sich der Urwiener Peter Pacult in Leipzig akklimatisiert?

Pacult: Ich fühle mich wohl, es geht mir gut, die Arbeit macht Spaß. Mir fällt es nicht schwer, mich umzustellen. Ich kann mich jederzeit anpassen. Im Fußballgeschäft musst du die Bereitschaft haben, dich zu verändern, deinen Wohnsitz zu wechseln. Sonst bist du fehl am Platz. Kulinarisch betrachtet besteht aber schon ein großer Unterschied zu Wien. Die Wurst und das Brot schmecken in Leipzig irgendwie komisch. Aber man wird trotzdem satt.

Standard: Es fällt aber schon schwer, Peter Pacult mit Angepasstheit zu verbinden. Verhält sich das nicht ungefähr so wie Griechenland und Budgetüberschuss?

Pacult: Wieso? Ich arbeite überall mit 100 Prozent. Ich muss mich in Leipzig nicht verstellen, sage, was ich mir denke, lasse mich nirgendwo verbiegen. Manche Ausdrücke verstehen sie hier nicht wirklich, vielleicht ist das ab und zu ein Vorteil. Diplomatie war nie meine große Stärke. Es gibt zwei große Zeitungen, die müssen jeden Tag über RB Leipzig berichten. Und ich muss sie halt mit irgendwelchen Informationen füttern. Das war bei Rapid auch nicht anders.

Standard: Finanziell betrachtet war der Wechsel dank des Sponsors Red Bull natürlich ein Gewinn. Aber ist es nicht schwierig, vom österreichischen Oberhaus in die deutsche Regionalliga Nord, das ist die vierte Leistungsstufe, abzusteigen? Bei Rapid hatten Sie zumindest die theoretische Chance, in der Champions League zu spielen. Vermisst man nicht die große Welt?

Pacult: So groß war die Welt auch wieder nicht. Ich saß ja in der Europa League in tollen Stadien auf der Bank. In Hamburg. In Glasgow. In Porto. Ich kenne das alles, leide nicht unter Entzug. Ich habe hier eine große Verantwortung, ich muss Meister werden. Bei Rapid konnte man auch mit dem zweiten oder dritten Platz ganz gut leben. In Leipzig bist du zum Aufstieg, zum Titel verdammt, dazu gibt es keine Alternativen. Der Druck ist fast größer, damit kann ich umgehen, ich bin ja kein Neuling mehr. Das soll aber nicht heißen, dass der Stress bei Rapid klein war. Dort hatte man nur phasenweise Ruhe.

Standard: Wie groß ist der Niveauunterschied? Könnte RB Leipzig in der österreichischen Bundesliga mitmischen?

Pacult: Das soll und kann man nicht vergleichen. Aber einige meiner Leute wären in unserer Bundesliga sicher Stammspieler und sogar Mannschaftsstützen. Namen nenne ich keine.

Standard: RB Leipzig heißt ja RasenBallsport Leipzig.

Pacult: Ich sage aber schon eher Red Bull Leipzig.

Standard: Als Herr Dietrich Mateschitz in Salzburg mit dem Engagement im Fußball begann, gab es Kritik. Erfolg ließe sich nicht kaufen, hieß es. Und der Kick lebe von Tradition. Wie schaut das in Leipzig aus? Werden Sie angefeindet?

Pacult: Ich halte das für einen Blödsinn. Erstens wirft Red Bull nicht sinnlos mit Geld herum, da stecken ein Konzept und eine Idee dahinter. Langfristiges Ziel ist es, in die deutsche Bundesliga aufzusteigen. Die Alternative wäre kein Fußball in Leipzig. Da geht es immer auch um Neid. Aber in den Diskotheken und Supermärkten reißen sich die Leute um die Dosen. Was soll das Theater? Die Geschichte hat sich längst beruhigt. Und immerhin haben wir bereits einen Zuschauerschnitt von fast 6000. Hin und wieder rufen die Fans nach einem Sieg sogar nach mir. Dann muss ich raus aus der Kabine und mich vor der Tribüne verneigen. Ich denke, die Leute mögen mich ganz gerne. Obwohl für mich Beliebtheit nie ein Qualitätskriterium war und ist.

Standard: Gerade im Osten Deutschlands gab es zuletzt vermehrt Fan-Krawalle und Ausschreitungen. Warum ist das so?

Pacult: Das ist keine schöne Entwicklung, hat wohl auch soziale Gründe. Betroffen sind vor allem Traditionsvereine wie Dresden oder Rostock. In Leipzig passiert diesbezüglich wenig bis nichts.

Standard: Sportlich läuft es sehr gut. Leipzig ist nach 18 Runden Erster. Vor Holstein Kiel und dem Hallescher FC.

Pacult: Ja, es passt, das Unternehmen ist zufrieden. Mehr als Erster geht nicht. Aber es ist nur eine Momentaufnahme.

Standard: Bleiben wir bei den Vergleichen mit Rapid.

Pacult: Von Rapid wollten die Spieler immer nur weg, nach Leipzig wollen viele kommen. Bei Rapid musst man mehr improvisieren, Abgänge verkraften und ersetzen. Die Möglichkeiten hier sind groß, wir haben zwei Rasenplätze und einen Kunstrasenplatz zum Trainieren. Die Kabinen sind zwar noch Container, aber Sie glauben nicht, was die alles bieten. Normal denkt man bei Container an Mistkübel. Aber die spielen alle Stückeln. Jetzt fliegen wir zur Vorbereitung nach Belek. Wobei die Arbeitsmöglichkeiten bei Rapid natürlich auch in Ordnung waren.

Standard: Am 11. April des Vorjahrs wurden Sie von Rapid-Präsident Rudolf Edlinger fristlos entlassen. Es wird noch immer vor dem Arbeitsgericht gestritten. Sollte man das Kapitel nicht endlich abschließen?

Pacult: Ja, es ist schade, dass es so enden musste. Zumal Rapid in meiner Ära durch die Transfers viel Geld verdient hat. In Wahrheit will ich irgendwann einmal sagen können, dass es viereinhalb schöne und erfolgreiche Jahre waren. Das waren sie ja.

Standard: Überrascht es Sie, dass Rapid unter Trainer Peter Schöttel Tabellenführer ist?

Pacult: Nein, das beweist nur, dass ich eine körperlich topfitte Mannschaft hinterlassen habe. Der Schöttel ist ein lieber, fähiger Kerl, ich habe mich mit ihm immer gut verstanden.

Standard: Trotzdem. Ist es wirklich so toll, um den Aufstieg in die dritte deutsche Liga zu raufen?

Pacult: Ja, es gibt verschiedene Welten. Ich habe mir immer Ziele gesetzt. Und ich habe sie erreicht. Ich wollte als Bub unbedingt Fußballer werden, das wurde ich. Ich wollte für Rapid und Austria spielen, das tat ich. Ich wollte ins Ausland, ich war im Ausland. Ich wollte Rapid trainieren, ich trainierte Rapid. Und jetzt will ich mit Leipzig etwas schaffen. Es ist sehr geil, die Mannschaft auf die Spiele gegen Meuselwitz, Havelse oder Halberstadt vorzubereiten. Scheitere ich, werden sie mich rauswerfen. Das ist überall so. (DER STANDARD Printausgabe, 21./22.1.2012)