An der Rückgewinnung des Triple-A wird Österreich lange arbeiten müssen, sagt Bank-Austria-Chef Willibald Cernko.

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Standard: Um wie viel sind Sie in letzter Zeit ärmer geworden in Bezug auf Ihre UniCredit-Aktien?

Cernko: Ich habe nicht nachgerechnet, das ist mir nicht so wichtig, denn ich glaube ans Unternehmen. Darum habe ich auch bei der Kapitalerhöhung mitgemacht.

Standard: Und am 13. Jänner 16.688 Aktien à 1,94 Euro gekauft.

Cernko: Ja, ich habe mein Bezugsrecht voll genützt. Es gab schon höherer Kurse, aber ich bin ja noch jung.

Standard: Der Kurs ist am ersten Tag der Kapitalerhöhung auf ein Rekordtief gesunken, die Bank hat 2011 fast drei Viertel ihres Werts verloren. Als die Bank Austria 2008 von der Börse ging, bekamen die Aktionäre 129 Euro je Aktie.

Cernko: Das war eine andere Zeit, die nicht mehr kommen wird. Ich gehe davon aus, dass die Kapitalerhöhung klappt, sie läuft ja jetzt auch. Überhaupt glaube ich, dass wir uns in der Wirtschaft um vieles schlechter reden, als wir sind.

Standard: UniCredit ist auch gut? Sie hat zehn Mrd. Euro Verlust gemacht, braucht acht Mrd. Kapital.

Cernko: Das ist eine sehr verkürzte Sichtweise. Wir sind operativ gut unterwegs und haben uns auf das Kundengeschäft, Einlagen und Kredite in 22 Ländern, fokussiert, alles andere wird zurückgefahren. Und wir haben uns längst der Kapitalfrage gestellt.

Standard: Die Frage hat vor allem die Europäische Bankenaufsicht EBA gestellt und der UniCredit acht Mrd. Euro vorgeschrieben.

Cernko: Wir haben das schon 2008 erkannt, nur hat sich das Thema 2010 und 2011 deutlich intensiviert für uns, erst recht, als die Konjunktur ab Sommer hurtig nach unten ging. Die EBA hat die neun Prozent Kapitalausstattung allen Banken bis Juni 2012 vorgeschrieben. Ich halte das inhaltlich für völlig richtig, aber die Zeit_achse ist zu ambitioniert, zumal es keine begleitende Unterstützung gibt. Früher ist im Osten oft die EBRD vorübergehend mit Kapital eingestiegen, solche Strukturen fehlen jetzt. Die Folgen hat die UniCredit extrem deutlich gespürt: zeitlicher Druck bei fehlender Kaufbereitschaft des Marktes. Es hätte viel besser gehen können.

Standard: Die Politik hat versagt?

Cernko: Man hat diese vorübergehenden Investments diskutiert, nur geschehen ist nichts. Dass man in so einem Rahmen einen Discount bei Kapitalerhöhungen hinnehmen muss, ist klar - aber was wir unterschätzt haben, ist die Auswirkung davon, Staatsanleihen in den Büchern zu haben.

Standard: Sie meinen die 40 Milliarden Euro italienischer Anleihen im Bauch der UniCredit?

Cernko: Auch - aber das ist ein generelles Thema. Wer Staatsanleihen in den Büchern hat, der hängt an den Ratings der Staaten und daher an der Performance der Politiker - und das müssen wir mitdenken. Banken werden künftig einen großen Bogen um die Staatsfinanzierung machen, sich nur äußerst kurzfristig und sehr vorsichtig und zu hohen Preisen engagieren, maximal Anleihen mit Laufzeiten von drei bis sechs Monaten kaufen. Staaten längerfristig zu finanzieren - das wird sich jeder Banker dreimal überlegen.

Standard: Wo holt der Staat Geld?

Cernko: Schon auch über Banken, aber die selbst werden möglicherweise auch sehr opportunistische, kurzfristig orientierte Investoren an Bord haben. Das kann schon eine Dynamik bekommen, denn so beginnt wieder das Quartalsdenken, von dem wir wegkommen wollten. Das Bemühen um langfristige Investoren wird eine große Herausforderung - für alle. Darum waren wir die Ersten, die auf den Kapitalmarkt gegangen sind.

Standard: Freuen Sie sich, wenn die BA-Mutter jetzt kasachische Staatsfonds und russische Magnaten als Aktionäre bekommt?

Cernko: Erstens ist das ein Gerücht, und zweitens: Wenn jemand unser Geschäftsmodell gut findet und langfristig investieren will: Willkommen! Was ist die Alternative? Das Geschäft zurückfahren, den Steuerzahler um Hilfe bitten? Für uns sicher nicht.

Standard: Die BA hat mit zehn Prozent genug Eigenkapital, zwei Milliarden von der Mutter bekommen. In Deutschland soll die Aufsicht Milliarden von den Italienern für ihre Tochter HVB zurückfordern. Kann das auch hier passieren?

Cernko: Nein. Da ist alles sauber und transparent, da schickt niemand Geld hin und her. Was mir auffällt: So wenig Europa wie heute gab es schon lange nicht. Gemeinsames wird hintangestellt, jeder will nur seinen Teil in Ordnung haben. Wir dürfen nicht einmal überschüssiges Kapital von einem Land ins andere transferieren. Im gemeinsamen Markt Europa zeigt sich in der Krise die Tendenz, dass alle die Schotten dichtmachen. Wir als Europa werden die Krise aber nur meistern, wenn wir uns deutlich mehr abstimmen und aufs Gesamte schauen.

Standard: Die Aufsicht gibt den Banken fürs Osteuropa-Geschäft strengere Regeln vor, etwa beim Verhältnis Einlagen - Ausleihungen. Das regt die Banker sehr auf.

Cernko: Inhaltlich ist das gut, aber wir wollen mehr Flexibilität. Die Idee „One size fits all" hat für Reibungen gesorgt: Nicht alle osteuropäischen Länder sind gleich. Aber da wollte man mit Blick auf die Ratingagenturen eine einfache, klar kommunizierbare Formel finden. Das ist nicht optimal.

Standard: Osteuropa trug zum Downgrading von Österreich bei ...

Cernko: ... und wir sehen Mittel- und Osteuropa als Wachstumsmarkt und bleiben dort. Wir sind vorsichtiger und gehen selektiver an die Dinge heran. Anpassungen sind schon richtig, aber wir müssen sie behutsam angehen.

Standard: Verstehen Sie die Argumente von S&P, die zum Verlust des Triple-A geführt haben?

Cernko: Ja. Ich teile die Einschätzung der Ratingagentur, weil wir Reformen seit Jahren diskutieren und nicht auf die Reihe bringen.

Standard: Wann wird Österreich sein AAA wiederbekommen?

Cernko: Vergessen Sie heuer und 2013, jetzt müssen wir einmal den negativen Outlook loswerden. Schon dafür müssen wir, muss die Politik endlich Strukturreformen angehen. Die Rückeroberung des Triple-A dauert dann noch länger. (Renate Graber, DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2012)