Barbara Prammer in der Loge der Bildungsvolksbegehren-Initiatoren.

Foto: STANDARD/Cremer

Auf der Galerie im zweiten Stock des Hohen Hauses am Wiener Ring lehnen Schülerinnen und Schüler an der Brüstung. Ein Klassenausflug in den Nationalrat steht an, ganz unten im Plenarsaal wird gerade über sie geredet. Oder zumindest versucht man es. Das Bildungsvolksbegehren wird in einer ersten Lesung dem Parlament zur Bearbeitung zugeführt. Im zweiten Stock haben die Proponenten des Bildungsvolksbegehrens rund um Hannes Androsch in der Mitte des Balkons Platz genommen. Etwas weiter zur Seite sitzen die Vertreter der Lehrergewerkschaft. Zwei Logen bleiben dazwischen frei.

Auf der ebenen Erde des Plenarsaals wird derweil debattiert. Androsch und seine Mitstreiter werden von den Parlamentariern mit Lob und Dank überhäuft, selbst von ÖVP und FPÖ gibt es teilweise positive Worte. So richtig konkret wurde aber an diesem Donnerstag niemand. Die inhaltliche Bearbeitung der Forderungen des von 384.000 Österreichern unterschriebenen Volksbegehrens wird in einem besonderen Ausschuss erfolgen, insgesamt werden sich 26 Abgeordnete näher mit den Anliegen befassen.

"Sensationelles Ergebnis" und "Illusion"

Der Bildungssprecher der SPÖ, Elmar Mayer, gratuliert in seiner Rede nochmals zu dem Ergebnis, er wird an dem Vormittag nicht der Letzte sein. "Gegen andere Dinge ist es leichter, Leute zu motivieren", sagt der Abgeordnete aus Vorarlberg.

Harald Walser, grüner Bildungssprecher, ortet angesichts der Politikverdrossenheit sogar ein "sensationelles" Ergebnis, die Organisatoren seien "Paradevertreter der Gesellschaft". Werner Amon, ÖVP-Bildungssprecher, sieht in der Behandlung des Volksbegehrens, trotz der Ablehnung seiner Partei, einen "Ausdruck dessen, dass wir Instrumente der direkten Demokratie sehr ernst nehmen". Kaum ein Parlamentarier scheint sich durch die Forderungen des Bildungsvolksbegehren angegriffen zu fühlen. Für jeden war in dem Kanon aus zwölf Forderungen etwas dabei.

Mayer fordert deshalb einen "nationalen Schulterschluss" und eine Imagekampagne für Lehrer, die in der Debatte die "entscheidenden Player" seien.

Amon stellt einen gemeinsamen Entschließungsantrag am Ende des Ausschusses in den Raum, gibt aber zu bedenken: "Ein großer Wurf ist eine Illusion." Stattdessen seien viele kleine Schritte notwendig, die die Regierung auch setze. "Jeder Punkt ist Stückwerk, aber abgerechnet wird am Schluss. Die Bildungsreform ist unterwegs."

Die "fleischgewordene Blockade"

Anders sieht dies Walser: "Wir brauchen hier ein besseres Klima. Mit einer Imagekampagne wird es nicht geregelt sein. Wir brauchen den großen Wurf." Und Walser bemüht einen Vergleich aus dem Straßenverkehr: "Dieses Bildungsvolksbegehren kann eine Rettungsgasse für die Schulpolitik sein", sagt der Abgeordnete, der selbst die Anliegen des Volksbegehrens unterstützte.

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache sieht im Ergebnis des Bildungsvolksbegehrens auch ein Indiz für die Schwäche der derzeitigen Regelungen zur direkten Demokratie. Als Folge würden Themen zwar im Parlament behandelt, es komme aber zu einer "Schubladisierung". Strache fordert daher den Ausbau der direkten Demokratie. Inhaltlich kann sich Strache nicht vollends mit dem Bildungsvolksbegehren anfreunden. Zwar unterstütze er Punkte wie eine Schulverwaltungsreform, andere Forderungen seien jedoch aus der "bildungspolitischen Mottenkiste der SPÖ", sagt Strache mit Blick auf die Gesamtschule. Vor allem in den anwesenden Ministern Schmied und Töchterle sieht der FPÖ-Chef die "fleischgewordene Blockade".

Zwischen Erfolg und Flop

Für die Bildungssprecherin des BZÖ, Ursula Haubner, ist das Volksbegehren ein Druckmittel gegen den Stillstand von SPÖ und ÖVP. Haubner kritisiert, dass das österreichische Schulsystem als eines der teuersten nur mittelmäßige Ergebnisse produziere. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) weist hingegen den Vorwurf des Stillstands unter Verweis auf die bereits erfolgten Veränderungen unter ihrer Führung von sich. Schmied betonte abermals, dass "Bildungspolitik Bundeskompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung" brauche. Schmied sieht eine Dynamik, die durch das Bildungsvolksbegehren entstanden sei, die sich für die Bildungspolitik positiv auswirke. Anders sieht das Stefan Petzner vom BZÖ. Für ihn ist das Volksbegehren "kein Erfolg, sondern ein Flop".

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) betonte neuerlich die Notwendigkeit von Zugangsbeschränkungen und forderte mehr private Mittel für die Hochschulen. Ohne die privaten Gelder würde beim Hochschulbudget ein Anteil von zwei Prozent des BIP nicht erreicht. Auch Studiengebühren würden die soziale Durchmischung nicht verändern, denn: "Der freie Hochschulzugang beginnt im Kindergarten." 

Modulare Oberstufe beschlossen

Am Nachmittag beschloss der Nationalrat noch die Einführung der modularen Oberstufe und des kostenlosen Nachholens von Bildungsabschlüssen. Während Letzteres einhellige Zustimmung erhielt, wurde die Oberstufenreform, die Schülern das Aufsteigen mit höchstens zwei "Nicht genügend" in die nächste Klasse ermöglicht, von FPÖ und Grünen nicht unterstützt.

Umgesetzt wird die Reform ab 2013, mit Beginn des Schuljahres 2017/18 soll sie abgeschlossen sein. Kern der Neuregelung: Bei einer negativen Note muss nicht mehr die Klasse wiederholt werden, sondern lediglich das Modul. Bis zur Matura müssen alle Fächer positiv absolviert sein. (seb, derStandard.at, 19.1.2012)