Von den vielen Bildschirmen, die uns begleiten, hat sich nur einer dem Online-Paradigma bisher weitgehend widersetzt: der Fernseher. Während PCs, Handys und Spielkonsolen ohne Internetzugang undenkbar sind, fristen die meisten TV-Geräte fröhliches Inseldasein.
Erst Handy und Tablets mit ihren Apps wiesen hier zuletzt den Weg
Das hat mehrere Gründe. Online alleine genügt nicht, Video braucht sehr leistungsfähiges Breitband, und dessen Verbreitung in Haushalten ist weiterhin "Work in progress". Um Internet von der Couch aus gut nutzen zu können, ist ein neues User-Interface nötig: Erst Handy und Tablets mit ihren Apps wiesen hier zuletzt den Weg.
Bei der Hardware stößt eine Technologie mit langsamem Upgrade-Zyklus - der TV-Bildschirm, der fünf bis zehn Jahre Dienst tun soll - mit kurzlebiger Computertechnologie zusammen. Nur wenige Menschen werden bereit sein, ihren (teuren) Fernseher so häufig zu ersetzen wie ihr Notebook oder ihr Handy.
Und schließlich eines der größten Probleme: fehlender On-Demand-Content, vor allem in kleineren Märkten wie in Österreich. Dabei mangelt es nicht an Filmen und TV- Serien, nur an der Bereitschaft der Studios, diese auch online anzubieten.
Aber langsam bröckeln die Mauern um die Festung TV
Aber langsam bröckeln die Mauern um die Festung TV. Bei der Unterhaltungselektronikmesse CES war "Smart TV" (es gibt verschiedene Namen für die vernetzten Fernseher) ein zentrales Thema. Das Szenario entwickelt sich ähnlich wie bei 3-D: Da die Kosten für die Aufrüstung gering sind, werden Onlinezugang und die Fähigkeit, Apps abzuspielen, zum Standard der TV-Mittelklasse. Billige Settop-Boxen ermöglichen die Nachrüstung nichtvernetzter Fernseher.
Das löst das Hardware- Problem und macht den Weg frei für App- und Videoanbieter, die erst bei hinreichender Verbreitung von Online-TV-Geräten Angebote entwickeln werden. Die üblichen Verdächtigen (Youtube, Google, Facebook, Spiele etc.) bedienen bereits diesen Markt, interessant wird jedoch, welche Ideen kleinere App-Entwickler für den großen kommunalen Schirm entwickeln. Denn Internet im Wohnzimmer mit mehreren Zuschauern muss anderes bieten als auf dem privaten Schirm eines Tablets.
Hulu und Co.
Am zähesten geht es bei Videoangeboten voran. Im größten Markt, den USA, kommt dies langsam in Gang, Netflix, Hulu oder Amazon bieten bereits umfangreiche Kataloge - aber die komplizierten Urheberrechte von Filmen bedeuten, dass hier jeder Markt neu verhandelt werden muss. Die EU könnte eine Großtat vollbringen, indem sie endlich für einen gemeinsamen Markt sorgt, oft angekündigt, aber noch nicht geliefert.
Wenn Filmstudios und TV-Sender dies nicht bald selbst schaffen, wird sie der technologische Umbruch überholen. Denn Anbieter wie Netflix beginnen bereits, sich vom Distributor zum Produzenten von TV-Serien zu wandeln und eigenes Programm zu machen. Wenn Youtube und andere erst einmal so bequem von der Couch aus zu bedienen sind, wie der TV-Kanal zu wechseln ist, können neue Produzenten mit wenig Kapitaleinsatz auf den Markt kommen.
Protest
Das private Protestvideo der ORF-Redakteure gibt dafür einen Vorgeschmack: Mit bisher 415.000 Klicks hatte es so viel Zuseher wie eine ZiB 2. (helmut.spudich@derStandard.at
HELMUT SPUDICH, DER STANDARD Printausgabe 19. Jänner 2012)