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Der Verleger İrfan Sancı, Inhaber des Verlagshauses Sel, wurde im Juli vor Gericht gestellt. 

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Der Roman "The Soft Machine" (hier in türkischer Übersetzung) von William S. Burroughs wurde als "obszön" und "für Kinder schädlich" eingestuft.

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Laut türkischem Gesetz können auch Verleger, Übersetzer und sogar Drucker belangt werden, wenn ein Buch als gefährlich eingestuft wird, aber gegen den Autor selbst nicht vorgegangen werden kann.

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Die Türkei war in den vergangenen Jahren wegen Verletzungen der Rede- und Pressefreiheit häufig in den Schlagzeilen. Nun wendet sich auch der türkische Übersetzerverband an die Öffentlichkeit und klagt über massive Einschüchterung durch die Justiz. "In der türkischen Kunst- und Kulturszene herrscht derzeit eine Atmosphäre der Einschüchterung. Man weiß nicht, was man davon halten soll, und ist verunsichert", erzählt Hanneke van der Heijden, in der Türkei lebende niederländische Übersetzerin und Sprecherin des türkischen Übersetzerverbandes Çevbir.

Schädliche Literatur?

Aktuell ist es die Anklage gegen den Englisch-Übersetzer Süha Sertabiboğlu, die den Übersetzerverband auf den Plan gerufen hat. Der Übersetzer des Romans "The Soft Machine" von William S. Burroughs steht gemeinsam mit dem Verleger İrfan Sancı, Inhaber des Verlagshauses Sel, seit Juli 2011 vor Gericht. Der Vorwurf richtet sich gegen den Inhalt des Originals, dieses sei "obszön" und "könnte für Kinder schädlich sein". Ein anderer, vergleichbarer Fall ist die Anklage gegen die Übersetzerin Funca Uncu und den Verlag Ayrıntı Yayınları für die Übersetzung des Romans "Snuff" von Chuck Palahniuk. Van der Heijden meint dazu: "Diese Romane sind nicht für Kinder gedacht, es sind ja keine Kinderbücher und vom Verlag auch nicht als solche aufgelegt."

Beide Fälle wurden am 18. Jänner verhandelt. Das Gericht verlangte ein Gutachten für "Snuff". Im anderen Fall hatte das Gericht bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben, an der Universität hatte sich jedoch noch kein Experte dazu bereiterklärt, ein Gutachten auszustellen. Die nächsten Anhörungen wurden für den 13. März angesetzt.

Laut Gesetz können nämlich auch Verleger, Übersetzer und sogar Drucker belangt werden, wenn ein Buch als gefährlich eingestuft wird, aber gegen den Autor selbst nicht vorgegangen werden kann.

Übersetzer als Verbrecher

Im Jahr 2010 war der Verleger İrfan Sancı bereits in einer ähnlichen Causa vor Gericht gestanden, ebenfalls gemeinsam mit dem Übersetzer aus dem Französischen, İsmail Yerguz. Nach drei Anhörungen wurde die Anklage jedoch fallengelassen.

Der türkische Übersetzerverband Çevbir wendet sich nun an die Öffentlichkeit, um auf eine von staatlicher Seite geschaffene Atmosphäre aufmerksam zu machen, "in der unser Beruf zu einer Straftat und wir Übersetzer zu Verbrechern gemacht werden", wie es in einer öffentlichen Stellungnahme des Verbandes heißt.

Darin wird festgehalten, dass der Ehrenkodex des Übersetzerberufes gerade darin bestehe, ein Werk in eine andere Sprache zu übertragen, ohne den Inhalt durch die eigenen Meinungen oder Gefühle zu verzerren. Es sei nicht möglich, diese Tätigkeit auszuüben, wenn seitens der Politik Druck und Einschränkungen drohen. (Mascha Dabic, daStandard.at, 19.1.2012)