Teamchef Marcel Koller und ORF-Analytiker Herbert Prohaska vereint am Podium.

Foto:Aigner/derStandard.at

Die komplette Expertenrunde: ÖFB-Teamchef Marcel Koller, Austria-Legende Herbert Prohaska, Rapid-Trainer Peter Schöttel, Neo-Austria-Coach Ivo Vastic, Moderator Hans Huber und Wattens-Trainer Roland Kirchler (v.li).

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Wien - Anlässlich des dritten "Fußball Forum Österreich" kamen am Dienstag im Wiener Ernst-Happel-Stadion hochrangige Vertreter des österreichischen Fußballs zum Thema "Der moderne Fußballtrainer - ein Blick hinter die Kulissen" bei einer Podiumsdiskussion zusammen. Moderator Hans Huber, ÖFB-Medienkonsulent und ehemaliger ORF-Sportchef, durfte neben ÖFB-Teamchef Marcel Koller, Austria-Legende Herbert Prohaska, Rapid-Cheftrainer Peter Schöttel, Neo-Austria-Coach Ivo Vastic auch Roland Kirchler, Trainer des Regionalliga-West-Meisters Wattens, begrüßen.

Gute alte Zeiten

Die Einstiegsrunde widmete sich der Frage, welche Entwicklung der Trainerjob in Hinblick auf die guten alten Zeiten genommen hat. Für Jahrhundertfußballer Herbert Prohaska war klar, dass heutzutage durch die geänderten Rahmenbedingungen wie das Bosman-Urteil ein diktatorischer Trainer kaum mehr eine Chance hat und es weit schwieriger geworden sei, diese Horde junger Spieler zu führen. Anderseits würden es große Fortschritte im methodischen Bereich leichter machen, die Spieler wirklich gut zu trainieren.

Auf die Zwischenfrage, ob ein Ernst Happel heute keine Chance mehr hätte, meinte die Austria-Legende: "Wer den Ernst Happel gekannt hat, der weiß, wenn ein Spieler ein paar Mal oder einmal zu spät gekommen ist, dann konnte er sich womöglich schon einen neuen Verein suchen. Heute ist es vielleicht genau das, was der Spieler möchte: dass er sich einen neuen Verein sucht und mehr Geld verdient."

Rapid-Trainer Peter Schöttel sah den Unterschied zur Situation vor 20 Jahren darin, dass damals der Trainer die ganze Arbeit allein erledigen musste, er jetzt aber ein Team von Spezialisten leite: ein Sportwissenschafter, der für den körperlichen Zustand der Spieler zuständig sei, ein Co-Trainer, der technisch, taktisch sehr viel draufhabe, und ein weiterer Spezialist für die Torhüter. Ein Vier-Personen-Team sei im internationalen Bereich ohnehin schon das untere Limit. Je mehr Trainer man habe, desto mehr könne auf die Spieler individuell eingegangen werden. Der Trainingsplan werde im Team erarbeitet, allerdings müssten ihm die Spezialisten ihre Vorstellungen schon schmackhaft machen, denn er trage ja die Verantwortung. Dieses System funktioniere nur dann, wenn man Leute seines Vertrauens um sich habe.

Ivo Vastic schloss sich seinem Vorredner diesbezüglich an, bei der Austria funktioniere es sehr ähnlich. Wo er noch Nachholbedarf im Fußball sehe, sei im mentalen Bereich, wo dementsprechende Betreuung den Spielern noch erheblich helfen könne. Nicht nur als Spieler, sondern auch im persönlichen Bereich müsse Entwicklung stattfinden.

Individualtrainer

Auf das Thema Individualtraining angesprochen, meinte ÖFB-Teamchef Marcel Koller, dass im Nationalteam eine andere Struktur als im Klub herrsche, wo man täglich miteinander arbeite. Er sei schon ein Trainer, der das Individuelle zu gewisser Zeit fördere, aber er sei Teamtrainer, also Mannschaftstrainer. Für ihn sei es wichtig, alle zusammenzuhaben und so auch das Absprechen und die Bewegungsabläufe eins zu eins zu sehen und im Training auch diese spüren zu lernen. Kraft, Beweglichkeit, Stabilisation und Technik könne man schon hin und wieder trainieren, aber grundsätzlich liege die Verantwortung da beim Klub, denn im Nationalteam habe man zu wenig Zeit.

Ex-Teamchef Prohaska sah das ähnlich, schwelgte in Erinnerungen an alte Zeiten - "Ich hab' wahrscheinlich Millionen von Klappmessern machen müssen!" - und sei heute froh, dass er trotz dieser mittlerweile als Unding abqualifizierten Übung noch halbwegs gehen könne. Dass die Spieler heute so fit seien, sehe er eben auch als Ausdruck der verbesserten individuellen Trainingsmethoden.

Öffentlichkeitsarbeit

Es folgte ein Schwenk Richtung Öffentlichkeitsarbeit, die immer mehr Zeit der Trainer in Anspruch nehme. Erster Ansprechpartner war natürlich Teamchef Marcel Koller, der sich in jüngerer Vergangenheit für sein in diesem Bereich professionelles Auftreten hatte rechtfertigen müssen. Mit den neuen Medien gehe alles extrem schnell. Nach seiner Bestellung habe er die ersten Wochen nur mit Journalisten sprechen können, aber er habe eben auch noch eine andere Arbeit, nämlich mit den Spielern in Kontakt zu treten. Die Medienarbeit sei aber sehr wichtig, da die Fans durch die neuen Möglichkeiten alles mitbekommen und sich ihr eigenes Bild machen.

Ob ihm die Medienarbeit lästig gewesen sei, wandte sich Huber an Prohaska. "Nur wenn du gerade ein wichtiges Spiel verloren hattest oder es Probleme im Klub gab", meinte der ORF-Chefanalytiker. Früher habe es nur den ORF gegeben, heute sei es durch die hohe Anzahl von Medien manchmal schon nervig, wenn man zu einer Sache zwölfmal das Gleiche von sich geben müsse. Man habe natürlich damit zu leben, denn es gehöre ja letztlich zum Job dazu.

Sportdirektor

Mit der Frage, ob Vastic Austria-Sportvorstand Thomas Parits als Chef oder als Zuarbeiter sehe, ging es weiter. "Als den einen und den anderen auch", sagte Vastic. Im Vordergrund stehe die Zusammenarbeit, er könne da sicher von der Erfahrung seines Sportchefs profitieren. Wie es denn in der Praxis aussehe? Könne er sich Spieler wünschen oder bekomme er welche vorgesetzt? Das sei immer verschieden. Er sei noch nicht so lange in diesem Geschäft, dass er schon viel fordern könne, sondern sei erst einmal mit dem Kader zufrieden, den er zur Verfügung habe. Natürlich habe er die eine oder andere Vorstellung, und wenn er und Parits zu dem Schluss kämen, dass die sich lohne, würden sie gemeinsam eine Lösung suchen.

Schöttel, auf seine frühere Rolle als Sportdirektor von Rapid angesprochen, meint, es sei ihm damals in seiner Zusammenarbeit mit Josef Hickersberger unangenehm gewesen, als dessen Vorgesetzter aufzutreten, da der Altersunterschied sehr groß gewesen sei und Hickersberger als Trainer schon große Erfolge vorzuweisen gehabt habe. Es sei nie ein Thema gewesen, wer in der Hierarchie über wem stehe. Er habe als Sportdirektor versucht, dem Trainer seine Wünsche zu erfüllen. Es sei natürlich extrem wichtig, dass es in dieser Konstellation Trainer/Sportdirektor menschlich gut funktioniere.

Nationaltrainer Koller, auf seine Erfahrungen diesbezüglich in Deutschland angesprochen, meinte: "Wenn Probleme mit dem Sportdirektor auftreten, dann stimmt irgendetwas nicht. Ich denke, das muss ein Team sein, das sehr eng und gut zusammenarbeitet." Da bei einem Transfer oft auch viel Geld im Spiel sei, müsse man sich der Sache schon sehr sicher sein. Man solle ein Profil erstellen und schauen, ob es auch menschlich passe. Geduld gebe es in der Branche ja keine mehr, aber die Spieler würden eine gewisse Eingewöhnungszeit brauchen. Man müsse sich schließlich auch gemeinsam rechtfertigen, wenn der Spieler dann nicht gleich einschlage. Es bringe nichts, wenn dann kommuniziert werde, der Trainer wollte diesen haben und der Sportdirektor einen anderen. Das werfe kein gutes Licht auf den Verein.

Datenaufzeichnungen

Weiters meinte der ÖFB-Teamchef in Bezug auf technische Hilfsmittel im Fußball, Stichwort Datenaufzeichnung, dass er als Trainer so viele Informationen wie möglich sammle. Die Daten seien wichtig, um ein gewisses Bild zu bekommen. Man solle natürlich von einem Gegner nicht überrascht werden, aber die Spieler sollten auch nicht mit zu vielen Informationen vollgestopft werden. Das eigene Auge und die Absprache mit den Assistenten hätten oberste Priorität.

Rapid-Trainer Peter Schöttel bestätigte diesbezüglich die Aussagen des Teamchefs. "Die Daten sind eine große Hilfe, aber man muss sich schon genau überlegen, in welcher Form man sie einsetzt." Speziell in der Vorbereitung auf den nächsten Gegner habe er vielleicht zuletzt zu viel damit gemacht. Teilweise seien die Spieler nicht mehr aufnahmefähig gewesen. Er habe auch gelernt, bestimmte Daten für sich zu behalten oder mit dem einen oder anderen Spieler die Sache unter vier Augen zu besprechen. Generell sei es so, dass man immer etwas sehe, vor allem in einer neuen Saison oder nach der Winterpause. In Österreich gebe es aber aufgrund der Zehnerliga keine ganz großen Geheimnisse.

Für Austria-Trainer Vastic stellte sich ebenfalls die Frage, welche Daten er den Spielern zeigt und in welchem Rahmen. "Man kann sehr viele Dinge aus den Daten herauslesen, auch was die Trainingssteuerung betrifft. Bei uns hat man zum Beispiel gesehen, dass die Defensivarbeit nicht richtig vorhanden war und wir dort den Hebel ansetzen müssen." (derStandard.at, 18.1.2012)