"Denn was nützt die schönste Glut ohne einen Doktorhut?"

Bild: Wilhelm Busch

Als VS-Lehrerin, die bald in Pension geht, hat mich der kluge und interessante Brief von Josef Christian Aigner sehr beeindruckt. Zwei Aspekte zum Thema Lehrerausbildung, die mir wesentlich erscheinen, möchte ich deshalb gerne kommentierend ergänzen und mit eigenen Erfahrungen belegen.

Erstens: Die Forderung, dass jedwede Lehrerausbildung generell in einen größeren Gesamtzusammenhang gestellt werden müsste - also auf die Uni gehört -, möchte ich vehement unterstützen, denn ich habe mein Leben lang schwer darunter gelitten, dass es praktisch während meiner gesamten Berufslaufbahn zwar jede Menge didaktische Fortbildungsangebote gab, aber keinerlei geistige, horizonterweiternde Anregungen geboten und gefordert wurden. Ja nicht einmal persönlichkeitsbildende oder therapeutische Angebote gibt es, obwohl wir das in den Schulen wahrlich dringend bräuchten, da die "Problemkinder" immer zahlreicher werden.

Schon als Junglehrerin war ich zutiefst geschockt vom geringen Bildungsstand und Horizont meiner Berufskolleginnen (Männer trifft man kaum mehr). Gespräche im Lehrerzimmer lassen erschaudern. Ich konnte und kann es bis heute nicht fassen, dass Lehrer/innen, die eigentlich das Bildungsvorbild der Nation sein sollten, auf so niedrigem Niveau agieren. Da ist es kein Wunder, dass die derzeitigen Zustände stillschweigend und geduldig hingenommen werden. Das sehe ich - neben vielen anderen Faktoren - mit als Grund für den Stillstand im Bildungsbereich. Wer ungebildet ist, ist uninformiert und hat Angst vor Veränderungen.

Um trotz dieses Berufs geistig wach zu bleiben, habe ich meine Fortbildungen privat betrieben: zu den in der Schule gelernten Fremdsprachen noch drei dazu gelernt, zwei Universitätsstudien nebenberuflich angefangen (die ich dann aber wegen Arbeitsüberlastung letzten Endes abgebrochen habe, da man als für persönliche Fortbildung, die nicht unmittelbar der Didaktik dient, als Lehrer nicht freigestellt wird), dazu eine Montessori-Ausbildung, Ausbildungen in systemischer Familientherapie, Atemtherapie .... - alles privat finanziert.

Zweitens hat mich die Problematik der von Aigner richtig erkannten "Monokultur" besonders angesprochen und in mir ein tieferes Verständnis meines eigenen Dilemmas ausgelöst. Er beschreibt es ganz genau: Meine Eltern waren schon Lehrer und haben mich, als ich jung und relativ unentschlossen war, in diesen Beruf gedrängt. Die Ausbildung an der sogenannten Pädagogischen Akademie, damals noch zweijährig, hat mich zutiefst frustriert und mich Schlimmes ahnen lassen. Diese Institution sehe ich heute rückblickend als realitätsfernen Schnellsiedekurs für Lehramtsanwärter/innen, wo selbst Leute, die nicht rechtschreiben konnten, aufgenommen wurden. Nach zwei Jahren Pädak war ich orientierungslos und fühlte mich seltsam leer. So habe ich mich jahrelang mehr recht als schlecht durch den Lehrerberuf geschleppt und habe erst Sinn darin gefunden, als ich mich mit reformorientierter Pädagogik zu beschäftigen begann.

Wie der Autor richtig feststellt, fehlte auch mir der Abstand zu meiner eigenen Schulzeit zusammen mit der Familienaltlast. Zudem fehlte mir die Botschaft, meinen Bildungshorizont lebenslang erweitern zu dürfen und zu sollen. Dieses Bedürfnis in mir, weshalb ich eigentlich Lehrerin wurde, schien in meinem gesamten Berufsumfeld niemanden zu interessieren. Meine Burnout-Phänomene begleiten mich deshalb nicht nur im reifen Alter, sondern schon ein Leben lang, und ich beginne erst jetzt, sie allmählich zu verstehen. Obwohl ich selbst nun keine Lehrerzukunft mehr habe, hoffe ich sehr, dass wenigstens die zukünftigen Lehrergenerationen eine breitere Ausbildung genießen dürfen, zum Wohle der uns anvertrauten Schüler. (Elke Jurasszovich, DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2012)