Wien - Der Rechtsstreit ist mittlerweile so kompliziert, dass selbst der Rechtsanwalt im Vorstand des Cottagevereins scharf nachdenken muss, um die verschiedenen Prozesse, Gutachten und Urteile rund um das Haus in der Cottagegasse 50A nicht durcheinanderzubringen. Dabei dreht sich der seit Jahren schwelende Rechtsstreit um eine vermeintlich simple Frage: Wie hoch sind eigentlich zwei Stockwerke?

Seit 2008 steht in der Cottagegasse ein fixfertiges Haus mit fünf Eigentumswohnungen auf fünf Ebenen - Erdgeschoß, erster Stock, zweiter Stock und ein zweigeschoßiger Dachausbau - leer, bei Quadratmeterpreisen rund um 10.000 Euro. Ein teures Problem für den Bauträger Projektinvest. Der zweigeschoßige Dachausbau widerspreche dem Cottage-Servitut, befand der Verein. Dieses Servitut hatten sich die Gründer des Cottageviertels Ende des 19. Jahrhunderts gegenseitig auferlegt, um den Bewohnern des neu erschlossenen, schönen Wohngebiets im heutigen 18. und 19. Bezirk genügend Licht und Luft zu garantieren.

Prozess durch drei Instanzen

Der Prozess ging bereits durch alle drei Instanzen, wurde aber wieder zurückverwiesen, weil die Gerichte die Frage nicht klären konnten, wie denn Ende des 19. Jahrhunderts ein zweigeschoßiges Haus auszusehen hatte. Ein Urteil des Oberlandesgerichtes Wien gibt nun dem Bauträger recht: Da in dem Servitut nicht von einem "Cottage-Charakter" der Häuse die Rede sei, werden damit "keine ästhetischen Vorgaben überbunden, die es etwa ausschließen würden, das Dachgeschoß (...)mit zwei bewohnbaren Geschoßen auszuführen" , heißt es in dem Urteil, das dem Standard vorliegt.

Das Servitut habe - so stellt das Gericht weiters fest - nicht den Zweck, einen Bauträger "über Jahrhunderte bei Neubauten an Wohnprogramme, Bauvorschriften oder konstruktive Möglichkeiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu binden" , vielmehr gehe es darum, durch Grünflächen rund um die Häuser "den Charakter einer ,Gartenanlage‘ zu erhalten" .

Eine ordentliche Revision, so steht es in dem Urteil, ist nicht zulässig. Der Verein gibt trotzdem nicht auf und hat vergangene Woche eine außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) eingebracht; dieser muss von Gesetzes wegen nun prüfen, ob er sich mit der Materie auseinandersetzt.

Zweiter Prozess

Parallel kämpft der Cottageverein noch auf einem zweiten Weg gegen das Haus in der Cottagegasse: Eine Anrainerin hat Klage erhoben, sie beruft sich ebenfalls auf ein Servitut, das aber anders formuliert ist als jenes, um das es in dem ersten Prozess geht. Bevor sich ein Gericht damit befassen konnte, musste zuerst die Frage geklärt werden, ob das überhaupt rechtens ist - ist doch in dem Servitut aus dem 19. Jahrhundert vorgesehen, dass sich mit Streitfällen ein Schiedsgericht des Ingenieur- und Architektenvereins beschäftigen muss; allerdings gibt es dieses Schiedsgericht längst nicht mehr. Nun befand der OGH, dass das Wiener Landesgericht zuständig sei. Der Rechtsstreit fängt also wieder von vorn an - und das Haus in der Cottagegasse 50A steht weiterhin leer. (Andrea Heigl, DER STANDARD; Printausgabe, 18.1.2012)