Bild nicht mehr verfügbar.

Schon beim Gipfel am Ende der ungarischen EU-Präsidentschaft im Juni 2011 schien Premier Viktor Orbán von Kommissionspräsident José Manuel Barroso wenig Gutes zu erwarten.

Foto: Reuters/Lenoir

Regierungschef Viktor Orbán wollte es ganz bewusst darauf ankommen lassen.

*****

Das ungarische Notenbankgesetz wurde noch vor der Jahreswende gegen den ausdrücklichen Rat von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso im Budapester Parlament beschlossen. Es ermöglicht dem rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, stärkeren Einfluss auf die Personal- und Zinspolitik der Ungarischen Nationalbank (MNB) zu nehmen. Brüssel sieht darin eine gegen EU-Recht verstoßende Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Notenbank.

Neben dem Vertragsverletzungsverfahren zu diesem Gesetz könnte die EU-Kommission heute auch Verfahren gegen Ungarn wegen der plötzlichen Senkung des Pensionierungsalters der Richter und wegen der Abschaffung des unabhängigen Datenschutz-Ombudsmannes eröffnen. Orbán baut derzeit den Staat in allen Bereichen um. Kritiker sehen darin die Absicht, demokratische Kontrollmechanismen auszuschalten und eine autoritäre Macht zu etablieren. Dabei eckt er zunehmend bei der EU-Kommission an, die auch über die demokratischen Grundwerte wachen soll. Orbán will es bewusst auf die Vertragsverletzungsverfahren ankommen lassen. Er habe aus Brüssel bisher "nur politische Meinungen und keine Argumente" gehört, verlautete er vergangene Woche.

Zugleich steckt aber Ungarn wegen Orbáns Wirtschaftspolitik in der finanziellen Klemme. Es bräuchte dringend einen Notkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dessen Präsidentin Chistine Lagarde stellte aber in der Vorwoche klar, dass die Verhandlungen über einen derartigen Kredit erst beginnen würden, wenn die EU ihre Zustimmung erteilt. Diese ist wiederum daran gebunden, dass Budapest zumindest das Notenbankgesetz ändert.

Im Sommer droht die Pleite

Die Analysten der großen Wertpapierhäuser gehen davon aus, dass Orbán beim Notenbankgesetz früher oder später nachgeben wird. Ohne ein IWF-EU-Kreditabkommen kann sich Ungarn bestenfalls noch bis zum Sommer finanzieren, danach würde die Pleite drohen. "Wir wollen nicht eins draufkriegen, sondern mit dem IWF und der EU eine Vereinbarung schließen" , erklärte Außenminister János Martonyi am Montag im Frühstücksfernsehen. "Alles ist verhandelbar, aber nicht alles ist akzeptierbar" , schränkte er allerdings im Sinne Orbáns ein.

Dabei würde erst bei den Verhandlungen mit IWF und EU, insofern sie zustande kommen, die Katze aus dem Sack gelassen. Ein künftiger Kredit wäre an strenge Bedingungen geknüpft. Orbán müsste seine bisherige populistische Wirtschafts- und Klientelpolitik aufgeben. Der Gesichtsverlust vor der eigenen Stammwählerschaft wäre kaum vermeidbar.

Möglicherweise existiert aber auch ein Plan B für den Fall des Scheiterns einer Kreditvereinbarung. Die Medien der Regierungspartei Fidesz attackieren jedenfalls zunehmend die EU. Die rechtsextreme Partei Jobbik (Die Besseren), mit der die Orbán-Partei um das ultrarechte Wählersegment konkurriert, hielt am Samstag erstmals seit Monaten in Budapest eine Demonstration ab. Unter "EU verrecke!" -Rufen wurde auf dem Podium die EU-Fahne verbrannt. (Gregor Mayer aus Budapest/DER STANDARD, Printausgabe, 17.1.2012)