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Die Ära des Katholizismus als Staatsreligion sei vorbei, sagt Schönborn. Heute sie die Kirche ein "Player unter vielen".

Foto: reuters/Heinz Peter-Bader

Wien - Kardinal Christoph Schönborn will die Strukturen der Kirche in Wien ändern. Wegen der sinkenden Zahl an Katholiken sei eine alternative Nutzung von nicht erhaltbaren Kirchen nicht ausgeschlossen. Wie genau die Kirche der Zukunft aussehen wird, sei offen. Es könne kein Zurück zum "business as usual" mehr geben.

Vorstellung von "Staatsreligion" zu Ende

Die Erzdiözese Wien will nun mit dem Piloprojekt unter dem Titel "Apostel 2.1" mit Strukturreformen auf eine veränderte Gesellschaft reagieren. "Wir stehen an einer Zeitenwende", stellte Kardinal Christoph Schönborn am Montag bei einer Pressekonferenz fest. "Apostel 2.1", das sei ein bewährtes Programm in verbesserter Version. "Wir sehen heute, dass die Konstantinische Zeit der Kirche zu Ende ist. Diese Ära war geprägt von der Idee der Staatsreligion, in die man hineingeboren wird und sein Leben lang bleibt", so Schönborn. Diese Zeiten seien vorbei. In der freiheitsliebenden Gesellschaft biete sich eine "Fülle an Möglichkeiten": "In dieser Funktion ist die Kirche nur ein Player unter vielen anderen."

"Einstellung grundlegend verändert"

Die jüngsten Austrittszahlen aus der Kirche beunruhigten Schönborn nicht. Seit Jahrzehnten gebe es einen "hohen Sockel" an Austritten: "Das signalisiert, dass sich die Einstellung gegenüber Institutionen grundlegend verändert hat." Auf diese gesellschaftlichen Veränderungen müsse man reagieren. Zum Vorschlag, einen Kultusbeitrag anstelle des Kirchenbeitrages einzuheben, zeigte sich Schönborn offen - man könnte die Modelle in Spanien oder Italien für eine Diskussion heranziehen.

"Parrer-Initiative willkommen"

Schönborn begrüßt laut "Kathpress" auch die "Pfarrer-Intiative" der "ungehorsamen Pfarrer" rund um Helmut Schüller im Zusammenhang mit dem Reformprozess. "Prinzipiell  sind alle Reformbemühungen in der Kirche willkommen", so der Kardinal. Wo Menschen "Herzblut und Hirnschmalz" in diese Reformprozesse investieren und sich darüber gegenseitig austauschen, seien sie auch willkommen.

Weniger Gläubige bei gleichen Strukturen

Bei einer nahezu gleich gebliebenen diözesanen Struktur habe zugleich der Anteil der Katholiken weiter abgenommen, so die Erzdiözese. Dies führe auch zu Finanzproblemen. Der Kardinal verwies im Zuge der Vorstellung des Pilotprojektes auf die Situation in Favoriten: Im Stadtdekanat 10 leben über 177.000 Menschen, davon knapp 60.000 Katholiken. Die 15 Pfarren zählen zwischen 2.000 und 7.000 Katholiken. In den vergangenen zwanzig Jahren habe sich im Dekanat nicht nur der Katholikenanteil von 60 auf 34 Prozent massiv reduziert, sondern auch das Leben in der Kirche ausgedünnt. "Das sind enorme Veränderungen, die für die Gestalt der Kirche nicht ohne Folge bleiben", so Schönborn.

Größere Pfarren

Er räumte ein, dass es zum Teil ein "schmerzlicher Abschied" werde, betonte jedoch: "Die Kirche der Zukunft in Wien wird weiterhin ein flächendeckendes Pfarrnetz haben. Aber die Pfarren werden teilweise größer sein." Die Strukturen sollen jedenfalls schlanker werden. "Es geht nicht um einen Abbau, sondern um einen Umbau", so Schönborn.

Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel meinte ebenfalls, man könne "nichts" ausschließen, auch keine Schließungen. Pfarrgrenzen seien ebenso wenig wie kirchliche Standorte in Stein gemeißelt. Noch sei aber nichts fixiert, man befinde sich in einem laufenden Prozess.

Favoriten entwickelt neues Konzept

Das Dekanat Favoriten wurde nun beauftragt, ein Konzept für eine Neuordnung zu entwickeln. Ziel der Reorganisation seien "Pfarren und Gemeinden, die aufgrund struktureller Entlastung und stärkerer Zusammenarbeit an Lebendigkeit gewinnen". Rahmenbedingungen gebe es ebenfalls, so soll eine Pfarre etwa aus mindestens 4.000 Katholiken bestehen. Weiters sollen die Kosten für den Betrieb des Pfarrheims 20 Prozent der erwirtschafteten Einnahmen - aus dem Kirchenbeitrag, aus Vermietungen, von Veranstaltungen - nicht überschreiten. Werden diese Vorgaben nicht erreicht, sei dies zu dokumentieren und über eine Lösung zu diskutieren, so Prüller-Jagenteufel. Das Dekanatsteam werde Mitte Juni einen Zwischenbericht und zum Jahresende einen Endbericht über die Tätigkeit vorlegen. Ab 1. September 2013 werde das Dekanat aus neu errichteten Pfarren und Gemeinden bestehen. (APA/red)