Die Aussicht, das Kolosseum in "alter Frische" auferstehen zu sehen, schwindet dahin. Die Geduld des italienischen Schuhunternehmers Diego Della Valle, der 25 Millionen Euro für die Arbeiten zugesagt hatte, wird auf eine harte Probe gestellt. Bei der Vergabe des Sponsorenvertrags soll nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Der Konsumentenschutz Codacons und die Gewerkschaft UIL haben auf angebliche Unregelmäßigkeiten bei der öffentlichen - beziehungsweise eben nicht öffentlichen - Ausschreibung hingewiesen. Die italienische Wettbewerbsaufsichtsbehörde AGCM (Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato) ist hellhörig geworden. Sie hat eine Ermittlung eingeleitet, in die sich von der Staatsanwaltschaft über das Verwaltungsgericht bis zum Rechnungshof die höchsten Organe eingeschaltet haben.
Angesichts eines solchen Aufruhrs wäre die Reaktion des spendablen Diego Della Valle, das Kolosseum seinem bröckeligen Schicksal zu überlassen, verständlich gewesen, und nur das Flehen des neuen Kulturministers Lorenzo Ornaghi konnte den Unternehmer von dem drastischen Schritt, dem Amphitheater den Rücken zuzukehren, abhalten. Ornaghi hat gut bitten, denn in die Staatskassen sind bereits zehn der vom Sponsor in Aussicht gestellten 25 Millionen Euro geflossen. Und die Zeit drängt; die Arbeiten sollten im März beginnen.
Vor allem aber muss der neue Kulturminister den Staat beziehungsweise das Vorgehen des Ministeriums unter der Leitung seiner Vorgänger verteidigen. Auf der Anklagebank sitzt nämlich nicht der Geldgeber, sondern der Empfänger, sprich: die staatlichen Behörden, die der Verlockung, einen solch fetten Fisch an Land zu ziehen, allzu leicht nachgegeben haben sollen. Denn, so heißt es, statt einer öffentlichen Ausschreibung wurde die Vergabe mehr oder minder als Privatgeschäft abgewickelt.
Die Restaurierung eines Denkmals wird gesetzlich wie ein öffentlicher Bauauftrag gehandhabt. Der Übernehmer muss nicht nur Geld zahlen, sondern für die Arbeiten - von der Planung über die Durchführung bis zur Abrechnung - geradestehen. Eine Mammutaufgabe im Fall des Kolosseums, was dazu führte, dass sich weit und breit kein Anwärter für die Ausschreibung fand.
Allein Mr. Tod's ließ durchblicken, ihm liege das Schicksal des antiken Bauwerks am Herzen. Unter der Regie des damalige Kommissars für Archäologieschutz, Roberto Cecchi, der unter Ornaghi zum Staatsuntersekretär avancierte, wurde Hand an das Ausschreiben gelegt. Die Arbeiten sollten von der Fachwelt gemeistert werden, der Sponsor brauchte nur Geld zu geben.
Verscherbelung von Kulturgut
Nur wurde diese neue - und, wie der Vorwurf lautet, auf Diego Della Valle maßgeschneiderte Variante - nicht mehr öffentlich ausgeschrieben, sondern direkt mit dem Interessenten abgesprochen. Der soll somit als einziger Anwärter ein Ausschreiben gewonnen haben, das keines war. Im Gegenzug darf Tod's das Kolosseum allerdings für Werbezwecke nutzen. Ein Umstand, der Gegner fuchtig macht, denn der Exklusivvertrag der Nutzung beläuft sich auf 15 Jahre, was vielen einer Verscherbelung des öffentlichen Kulturguts gleichkommt. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Nutzungsvertrag zugunsten einer ad hoc ins Leben gerufenen gemeinnützigen Gesellschaft "Freunde des Kolosseum" geht. Im Gegenteil, hinter dem "Feigenblatt" wittert man die kommerzielle Ausbeutung des Wahrzeichens der Ewigen Stadt. Damit ist man wieder beim alten Dilemma.
Doch bevor über die ethische Frage der Grenzen der Einbeziehung privater Gelder in öffentliche Kulturpflege diskutiert wird, sollte doch zumindest klargestellt werden, ob bei der Vergabe des Sponsorvertrags Amtsmissbrauch und Begünstigung im Spiel waren. Es wäre bedauerlich, wenn das Gericht zu diesem Schluss kommen sollte. Nicht nur für das Kolosseum, das weiter vor sich hinbröckeln würde, sondern generell für die Kulturpflege des Landes, die auf private Gelder immer mehr angewiesen sein wird. Nur benötigen diese eben eine transparente Verwaltung. (Eva Clausen aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 16. 1. 2012)