Wien - Seit 20 Jahren gibt es die Resonanzen nun, und dem entspricht auch die muntere Feierlaune, welche die diesjährige Auflage des Alte-Musik-Festivals im Wiener Konzerthaus ausstrahlt.

Opulent ist der Almanach, prominent der Reigen der darin versammelten Gratulationen, gediegen und voller überraschender Abwechslung das Programm, das Dramaturg Peter Reichelt mit seinem Team zusammengestellt hat - einschließlich der Begleitveranstaltungen bei freiem Eintritt, unter denen sich originelle Filme, aber auch Konzerte junger KünstlerInnen finden. Dass man sich beim langjährigen Programmverantwortlichen Christian Lackner, der vor einiger Zeit im Unfrieden aus dem Konzerthaus ausschied, mit warmen Worten bedankt, bedeutet wohl mehr als eine Höflichkeitsfloskel. Ob aber wirklich ein sexy Paar Frauenlippen (diesmal mit Kaffeetasse) die einzige Möglichkeit ist, dieses Festival zu bewerben, wäre eine andere Frage.

"In Wien" heißt heuer das Motto, das mit mehr oder weniger engen inhaltlichen Bezügen und einem ordentlichen Schuss Ironie umspielt wird. In Wien starb 1741 Antonio Vivaldi, dessen letzte Oper L'oracolo in Messenia das Ensemble Europa Galante für die heurige Eröffnung in seiner Wiener Fassung rekonstruiert hatte.

Gewiss wurde das mehr als drei Stunden und zwei Pausen in Anspruch nehmende Werk mit viel Esprit musiziert; gewiss brachte der leichtfüßige Tenor Magnus Staveland in den Part des Tyrannen Polifonte hintergründige Bosheit ein; gewiss verfügt Sopranistin Ann Hallenberg über souveräne Klangfülle; gewiss ist die junge Mezzosopranistin Julia Lezhneva eine Entdeckung und war sie ebenso engagiert bei der Sache wie die übrigen fünf SängerInnen.

Und sicher enthält die Oper eine Reihe origineller, atemberaubender Bravourarien. Nur: Dazwischen herrscht doch (allzu) viel Leerlauf. Die Rezitative und etliche Arien stammen nicht von Vivaldi selbst, sondern - dem damaligen Brauch entsprechend - aus einem Schwesterwerk des Vielschreibers Geminiano Giacomelli. Und davon ist vieles bloß Meterware. So brauchte es doch viel Geduld für relativ wenig wirklich packende Musik. (Daniel Ender/DER STANDARD, Printausgabe, 16. 1. 2012)