Wien/Innsbruck - Binäre Systeme (bzw. Doppelsternsysteme) kommen in der Milchstraße häufig vor - Gammastrahlen-Binärsysteme hingegen gelten bislang als Seltenheit. Denn ein System muss schon aus zwei sehr ungleichen Sternen bestehen, damit hochenergetische Gammastrahlung produziert wird. Nur etwa ein halbes Dutzend solcher Systeme wurde bislang entdeckt, alle setzten sich aus einem massereichen Stern und entweder einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch zusammen.

Die jüngste Entdeckung eines Gammastrahlen-Binärsystems stammt von einem internationalen Forscherteam, darunter auch Physiker der Universität Innsbruck. Bei dem etwa 15.000 Lichtjahre entfernten System 1FGL J1018.6-5856 konnte erstmals mit Hilfe des NASA-Weltraumteleskops "Fermi" die Umlaufperiode primär aus den Gammastrahlungsdaten bestimmt werden, wie die Wissenschafter in "Science" berichten.

Hintergrund

Es gebe mehrere Hypothesen, wie solche Systeme entstehen, so Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Uni Innsbruck. Es könnte aus einem Doppelstern-System zweier massereicher Sterne entstanden sein, wobei einer der Partner zu einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch kollabiert ist. Weitaus unwahrscheinlicher, jedoch nicht auszuschließen sei, dass der Partner vom massereicheren Objekt quasi eingefangen wurde.

Die hochenergetische Gammastrahlung kommt durch die Wechselwirkung von Teilchen aus beiden Partnersternen zustande, so Anita Reimer vom Institut für Theoretische Physik der Uni Innsbruck, die ebenfalls an dem nun publizierten Projekt beteiligt war. Wahrscheinlich treffen niederenergetische Photonen aus dem Strahlungsfeld des massiven Sternes auf hochenergetische Elektronen aus der Umgebung des Neutronensterns bzw. Schwarzen Lochs. "Die dabei entstehenden Schockfronten und Turbulenzen ermöglichen Teilchenbeschleunigung bis zu extrem hohen Energien, eben im Gammastrahlenbereich", so Reimer. Verändert sich der Abstand der beiden Objekte bei ihrem Umlauf, verändern sich auch die Bedingungen für die Teilchenbeschleunigung - und damit das beobachtete Signal im Gammastrahlenbereich.

Eines der wichtigsten Identifikations-Merkmale für solche Doppelstern-Systeme ist ihre Umlaufperiode (Periodizität). Bei den bisher entdeckten gammastrahlenden Doppelsternen war diese Umlaufzeit bereits aus den Messungen in anderen Wellenlängenbereichen (Radio-, optischer- bzw. Röntgenbereich) bekannt und konnte mit den Gammastrahlensignalen verglichen werden. Bei dem nun entdeckten 1FGL J1018.6-5856 gelang es erstmals "allein aus den Gammadaten die Umlaufperiode zu bestimmen", so Reimer. In anschließenden Nachbeobachtungen in anderen Wellenlängenbereichen wurden diese Daten bestätigt. 

Bunter Haufen

Obwohl erst so wenige derartige Objekte gefunden wurden, unterscheiden sie sich deutlich voneinander. "Wir können keine Klasse daraus basteln, von der wir genau wissen, wie sie sich verhält", so Reimer. So sind etwa die Umlaufperioden der rund ein Dutzend bisher bekannten gammastrahlenden Doppelsterne völlig verschieden und reichen von etwa vier Tagen bis zu vier Jahren.  (APA/red)