Bild nicht mehr verfügbar.

Einer der Angeklagten: Man gab sich während des Prozesses sehr öffentlichkeitsscheu.

Foto: apa/hochmuth

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Teil der 29 angeklagten Rapid-Fans im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichtes. Alle wurden wegen Landfriedensbruchs verurteilt, zwei davon zu unbedingter Haft.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - Auf der Homepage des SK Rapid ist die Welt noch in Ordnung: Kapitän Steffen Hofmann, der im Hanappi-Stadion als "Fußballgott" verehrt wird, ist gerade wieder Vater geworden, sein Team geht als Tabellenführer in die Frühjahrssaison. Doch in der orthodoxen grün-weißen Religionsgemeinschaft gibt es seit Freitag nur mehr ein Thema: die Verurteilung von 29 Fans wegen Ausschreitungen am Wiener Westbahnhof. Die Urteile sind nicht rechtskräftig - wenn sie das werden, müssen zwei Rapid-Fans, darunter auch einer der Ober-Ultras, ins Gefängnis. Der Rest kam mit Bewährungsstrafen davon.

Allein die Urteilsverkündung in dem Massenprozess - eine zweite Tranche mit mehr als 50 Angeklagten steht noch aus - dauerte am Freitag eine halbe Stunde. Für die Urteilsbegründung und Erläuterungen zu den Strafausmaßen von sieben Wochen bis 14 Monaten und Geldstrafen bis 4500 Euro nahm sich die Senatsvorsitzende Martina Frank im Wiener Landesgericht weitere eineinhalb Stunden Zeit. Dies auch deswegen, weil das in der heimischen Strafrechtspflege eher selten auftauchende Delikt "Landfriedensbruch" eine Hauptrolle spielte.

Wie der Standard berichtete, wollten die Rapid-Fans im Mai 2009 am Wiener Westbahnhof ihr eigenes Wiener Derby veranstalten. Weil angeblich ein Mitglied der Ultras von Erzfeindefans der Wiener Austria verprügelt worden war, planten die Grün-Weißen, die von einem Auswärtsspiel heimkommenden Violetten nicht herzlich willkommen zu heißen. Die Polizei bekam allerdings Wind von der Racheaktion und entsandte Spezialeinheiten der Wega.

Videoüberwachung

Der aufgezogene Sperrring hatte zwei Konsequenzen: Die Austria-Fans konnten schnellen Fußes den Ort der aus ihrer Sicht ungewollten Begegnung verlassen, die Rapid-Anhänger fühlten sich um eine große Chance betrogen und von den Wega-Beamten in Kampfausrüstung provoziert. Was die Fans offenbar nicht bedachten, waren die Überwachungskameras am Westbahnhof und in der angrenzenden U-Bahn-Station, die das Geschehen aufzeichneten: fliegende Bierflaschen und Metallmistkübel, Fußtritte, Faustschläge, Gürtel als Peitschenersatz und eindeutige Anweisungen von den Rädelsführern.

Mit der Argumentation, man habe die Austria-Fans ursprünglich nur mit Schlachtchören "niedersingen" wollen, kamen die Rapidler nicht durch. Staatsanwältin Dagmar Pulker warf ihnen vor, von Anfang an auf eine Schlägerei aus gewesen zu sein. In der E-Mail eines Verdächtigen war schon Tage zuvor von "Schädel zertrümmern" die Rede gewesen. Auch die zweite Verteidigungsstrategie, dass die Wega die Ausschreitungen angezettelt habe, scheiterte am Videomitschnitt.

Die Sichtung des Videomaterials führte jedenfalls zu Anklagen (und jetzt Verurteilungen in erster Instanz) wegen Körperverletzung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt, Sachbeschädigung und eben Landfriedensbruch. Zu Letzterem heißt es im Strafgesetz: "Wer wissentlich an einer Zusammenrottung einer Menschenmenge teilnimmt, die darauf abzielt, dass unter ihrem Einfluss Mord, Totschlag, Körperverletzung oder eine schwere Sachbeschädigung begangen werde, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen." Für Anführer gibt es noch ein Jahr dazu.

Zum noch während der Verhandlung eingelegten Einspruch der Verteidiger, dass dieser Paragraf im vorliegenden Fall völlig überzogen sei, meinte Richterin Frank nun: "Mit vorgehaltenem Taschenmesser zwei Zigaretten zu erbeuten ist genauso schwerer Raub wie mit einer Maschinenpistole eine Bank zu überfallen." Unterschiede gebe es eben in der Strafbemessung.

Als strafmildernd wurde in zwei Fällen gewertet, dass die Angeklagten der ÖBB zerstörte Mistkübel bereits ersetzt haben. (DER STANDARD, Printausgabe 14.1. 2012)