Wien - Die österreichischen Regeln zur Korruptionsbekämpfung hinken den europäischen Vorgaben weit hinterher. Das hat die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO) in ihrem am Freitag von der Regierung veröffentlichten Bericht erwartungsgemäß klar festgestellt. Die Experten zerpflücken darin vor allem die intransparente Parteienfinanzierung. Kernpunkt: Während sich Österreich eine staatliche Parteienfinanzierung auf Rekordniveau leistet, fehlen wirksame Regeln zur Bekämpfung von Parteienkorruption.

Parteienfinanzierung und Parteispenden

Die GRECO-Experten verweisen darauf, dass der Anteil öffentlicher Parteienfinanzierung (gerechnet in Euro pro Wähler) hierzulande "einer der höchsten weltweit ist". Umgekehrt haben die Parteien aber praktisch freie Hand bei der Annahme von Spenden und Zuwendungen in jeder Höhe. Die Experten fordern daher mehr Transparenz. Konkret: Die Veröffentlichung der Namen der Spender ab einer bestimmten Spendenhöhe, das Verbot anonymer Zuwendungen und die Veröffentlichung von Sponsoring und Naturalunterstützung (etwa Personalleihgaben, Anm.). Derzeit müssen die Parteien Spenden über 7.260 dem Rechnungshof melden - der muss die Identität der Spender aber geheim halten. - Gefordert wird auch eine Verschärfung der Buchführungspflichten der Parteien. Derzeit müssen die Parteien zwar einmal jährlich via "Wiener Zeitung" Rechenschaftsberichte veröffentlichen. Diese sind allerdings wenig aussagekräftig, kaum vergleichbar, beziehen nur die unmittelbaren Bundesparteien (nicht aber die Landesparteien) mit ein und werden nicht im Internet veröffentlicht. Die GRECO-Experten fordern daher auch, "die Zugänglichkeit aller von den politischen Parteien (...) vorgelegten Rechenschaftsberichte zu verbessern".

Landesparteien und Teilorganisationen

Wesentlichster Kritikpunkt des Expertenberichts ist das Fehlen einheitlicher Transparenzbestimmungen für Parteien in Österreich. Konkret fordern die Experten, dass die Parteien zur "Konsolidierung der Buchführung und Rechenschaftsberichte" verpflichtet werden. Hinter dem technischen Ausdruck verbirgt sich politischer Sprengstoff: Dies würde bedeuten, dass in den jährlichen Rechenschaftsberichten nicht nur die Bundesparteien erfasst werden müssten, sondern auch alle Landesparteien und Teilorganisationen wie etwa die "Bünde" der ÖVP ("alle territorialen Gliederungen der Parteien und sonstige unter ihrer Kontrolle stehenden Rechtsträger").

Kontrolle und Sanktionen

Ausständig ist nach Einschätzung der GRECO-Experten ein wirksames Kontroll- und Sanktionssystem für Parteien. Gefordert werden verschärfte Rechenschaftspflichten zur Parteien- und Wahlkampffinanzierung sowie eine "wirksame und unabhängige Aufsicht". Derzeit nicht möglich ist nach Angaben der Experten auch, dass der Rechnungshof bei Verdacht auf Parteienkorruption die Justiz informiert. Eine entsprechende Änderung der Rechtslage wird gefordert. Außerdem plädieren die GRECO-Experten für "wirksame, verhältnismäßige und präventive Sanktionen" für Verstöße gegen Finanzierungs- und Transparenzbestimmungen und sprechen auch "die mögliche Einführung strafrechtlicher Sanktionen in zukünftigen Rechtsvorschriften" an.

Abgeordneten-Bestechung

Inländische Abgeordnete machen sich derzeit praktisch nur dann strafbar, wenn sie sich im Zusammenhang mit einer Abstimmung bestechen lassen. Verboten ist zwar auch jede Bestechung in Bezug auf die "Pflichten" der Abgeordneten. Dies ist nach Ansicht der Experten aber totes Recht, weil es für Abgeordnete kaum explizite Pflichten gibt. Wörtlich heißt es im Bericht: "Der Bezug auf 'Pflichten' schließt die Anwendbarkeit in zahlreichen Fällen aus, in welchen beispielsweise ein gewählter Amtsträger bestochen wird, um einen Gesetzesvorschlag oder eine Änderung einzubringen oder zu unterstützen (...). Die Diskussionen vor Ort bestätigten klar, dass es sich bei den oben angeführten nicht um bloß hypothetische Situationen handelt."

Vorteilsnahme

Verschärft werden sollte nach Ansicht der GRECO-Experten die Strafbarkeit der "Vorteilsannahme" (Par. 305 und 307a Strafgesetzbuch). Wer einen öffentlichen Amtsträger (also etwa einen Beamten oder Minister) im Zusammenhang mit einer "pflichtgemäßen" Amtshandlung besticht, macht sich derzeit nämlich nur dann strafbar, wenn die Entgegennahme des Geschenks gegen das Dienstrecht des Amtsträgers verstößt. Dies führt nach Ansicht der Experten dazu, dass insbesondere "hohe Funktionäre" wie Minister, Staatssekretäre und Bürgermeister de facto von der Strafbarkeit ausgenommen sind, weil einschlägige dienstrechtliche Bestimmungen fehlen. Als problematisch gilt auch, dass diese Regelung voraussetzt, dass jeder, der einen Beamten mit einem Geschenk bedenken möchte, dessen Dienstrecht kennen müsste - auch wenn es um ausländische Beamte geht.

Anfüttern

Zurückhaltend äußern sich die Experten zur 2009 entschärften Strafbarkeit des "Anfütterns". Sie verweisen allerdings darauf, dass die Entschärfung des Strafrechts möglicherweise im Zusammenhang mit einem konkreten Fall stehen könnte, in dem ein Unternehmen "großzügige VIP-Einladungen zu einer Sportveranstaltung, angeblich EUR 3.500 wert" an Spitzenmanager von Staatsunternehmen vergeben habe. Die Ermittlungen der Behörden zu diesem Fall wurden nach der Entschärfung eingestellt, heißt es in dem Bericht. Hinterfragt wird auch die Unterscheidung zwischen der Vorteilsannahme für "pflichtgemäße" und "pflichtwidrige" Amtshandlungen.

Privatkorruption

Diese wird in Österreich nur dann strafrechtlich verfolgt, wenn eine der beteiligten Parteien eine "Privatanklage" einbringt. Bei der Bestechung öffentlicher Amtsträger kann die Staatsanwaltschaft dagegen von sich aus tätig werden. Die GRECO-Experten fordern die Abschaffung dieser Unterscheidung. Ihr Argument: Unternehmen würden aus Angst um ihre Reputation in der Regel vor Privatanklagen zurückschrecken. Außerdem könne die Unterscheidung gerade in Österreich, mit seinem großen Bereich der privatisierten öffentlichen Dienstleistungen, zu Abgrenzungsproblemen führen. Gefordert wird daher auch die Erhöhung der Maximalstrafe für Bestechung im privaten Sektor (derzeit bis zu drei Jahre Haft, während im öffentlichen Sektor bis zu zehn Jahre Haft drohen).

Tätige Reue

Dass die "tätige Reue" von Bestechern und Bestochenen automatisch und zwingend zur Straffreiheit führt, ist für die GRECO-Experten nicht nachvollziehbar. Wenn die formalen Voraussetzungen erfüllt seien, hätten die Täter damit "ein unumstößliches Recht (...), von der Bestrafung ausgenommen zu sein", heißt es im Bericht.

Auslandskorruption

Diese ist in Österreich nur dann verfolgbar, wenn das Delikt auch im Ausland strafbar ist. Die GRECO-Experten kritisieren, "dass die Bedingung der gegenseitigen Strafbarkeit bei der Bekämpfung der Korruption eine unnötige Beschränkung der Gerichtsbarkeit eines Landes darstellt" und fordern eine Änderung.

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Regierung verspricht Reaktion

Justizministerin Beatrix Karl kündigte im Ö1-Morgenjournal als Reaktion auf den Bericht an, die Korruptionsbestimmungen zu verschärfen. "Wir werden jetzt auch prüfen, inwieweit die Empfehlungen auch umgesetzt werden können", so die Ministerin. Sie hält etwa strengere Korruptionsregeln für Abgeordnete für notwendig und habe bereits Vorschläge des Justizministeriums an das Parlament übermittelt. Die Regelungen sollten für Mandatare im Inland, aber auch auf europäischer Ebene gelten.

Staatssekretär Josef Ostermayer hatte bereits im Dezember als Reaktion auf den Greco-Bericht darauf hingewiesen, dass über neue, strengere Regeln für Parteispenden auf parlamentarischer Ebene verhandelt werde.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer hofft, dass bei der Parteienfinanzierung im ersten Halbjahr Nägel mit Köpfen gemacht werden. "Ich gehe davon aus, dass jetzt, nachdem der neue GRECO-Bericht vorliegt, einigermaßen Dynamik hineinkommt", sagte Prammer am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal".

Details, welche Punkte nun geändert werden sollen, nannte Prammer nicht. Ebensowenig VP-Klubobmann Karlheinz Kopf, der lediglich einräumte, "dass wir Korrektur- und Verbesserungsbedarf haben, das wissen wir".

Kritik von der Opposition

Die Grünen forderten die Regierung auf, ihr angesichts der Korruptionsaffären des Jahres 2011 versprochenes "Transparenzpaket" endlich umzusetzen. Justizsprecher Albert Steinhauser kritisierte, dass bisher lediglich Transparenz bei Regierungsinseraten beschlossen wurde. Ausständig seien nach wie vor die Offenlegung der Parteispenden und der Nebenjobs der Abgeordneten sowie eine Verschärfung des Korruptionsstrafrechts. Steinhauser kritisierte, dass es zu den Parteispenden in den vergangenen acht Monaten keine einzige Verhandlungsrunde mehr gegeben habe, bei den Nebentätigkeiten der Parlamentarier herrsche seit 23. August Sendepause.

FP-Generalsekretär Herbert Kickl sagt in einer Aussendung: "SPÖ und ÖVP blockieren seit Monaten konsequent den Beschluss eines Gesetzes, das in Österreich Transparenz im Bereich der Parteispenden bringen soll". Er wirft der Koalition vor, Ausnahmen für Landesparteien und Vorfeldorganisationen erreichen zu wollen.

BZÖ-Vizeklubobmann Stefan Petzner sieht im GRECO-Bericht "eine europäische Rüge für das Verhalten und die Untätigkeit der beiden österreichischen Regierungsparteien". Petzner vermutet hinter der Verzögerung der Regierungsparteien den Versuch, "so lange wie möglich Parteiengelder aus dunklen Kanälen zu lukrieren, um die leeren Wahlkampfkassen der hochverschuldeten Regierungsparteien schnell noch zu füllen".  (red, derStandard.at, 13.1.2012, APA)