Wien - Um das in der Nacht auf Mittwoch in Wien zur Welt gekommene Baby der unter Doppelmord-Verdacht stehenden Estibaliz C. beginnt offenbar ein Tauziehen: Der Bub wurde der Mutter mit dem Ziel abgenommen, dass er so bald wie möglich zu seinem Vater kommt, die 32-Jährige möchte ihr Kind aber lieber bei sich haben. Der Anwalt der früheren Eissalon-Betreiberin, Rudolf Mayer, wirft dem Jugendamt vor, eine Zwangsmaßnahme ohne Rechtsgrundlage gesetzt zu haben und brachte eine Beschwerde beim Pflegschaftsgericht ein. Der Freund von Estibaliz C. bemüht sich unterdessen um die Anerkennung der Vaterschaft.

Und diese formale Anerkennung stellte den Vater des Buben zunächst vor ein Problem: Denn nach Angaben des Jugendamts hatte der 47-Jährige am Donnerstag nicht alle erforderlichen Papiere parat. Gefehlt habe zunächst das Dokument über die rechtskräftige Scheidung von Estibaliz C. von ihrem Ehemann. Den soll die gebürtige Spanierin 2008 ermordet haben. Die Anerkennung der Vaterschaft ist die Voraussetzung dafür, dass der Freund von Estibaliz C. beim Pflegschaftsgericht die Obsorge für seinen Sohn beantragen kann.

Verfassungsgerichtshofsbeschwerde

Ob diesem Antrag stattgegeben wird, entscheidet dieses Gericht, wobei dies theoretisch mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Im Fall, dass die Mutter die Obsorge beantragen sollte, habe der Richter die Möglichkeit, Gutachten einzuholen, sagte Jugendamtssprecherin Herta Staffa. Als Beispiele führte sie psychologische oder psychiatrische Stellungnahmen an.

Die Entscheidung werde voraussichtlich nicht von einem Wiener Pflegschaftsgericht getroffen, da der Vater des Buben vermutlich in einem anderen Bundesland leben werde. Zum künftigen Wohnort gibt die Behörde auf Wunsch des 47-Jährigen keine Auskunft. Das vorläufig obsorgeberechtigte Jugendamt wird auch darauf achten, dass das Kind nicht medial zur Schau gestellt wird, "so wie wir das grundsätzlich bei Kindern machen", sagte Staffa.

Der Anwalt von Estibaliz C., Rudolf Mayer, hat nach eigenen Angaben eine Beschwerde beim Pflegschaftsgericht wegen der Abnahme des Babys eingebracht und seinen Kollegen Karl Bernhauser zur Einbringung einer Verfassungsgerichtshofsbeschwerde zugezogen. Mayer vertritt den Standpunkt, dass das Jugendamt eine Zwangsmaßnahme ohne Rechtsgrundlage gesetzt habe.

Abnahme nur bei Gefahr im Verzug gedeckt

Die einzige Begründung für die Abnahme eines Kindes könne nur Gefahr in Verzug sein, sagte Mayer am Donnerstag. Und dies sei im konkreten Fall nicht gegeben. Er habe bereits während der Schwangerschaft von Estibaliz C. gemeinsam mit seiner Mandantin einen Vorschlag beim Pflegschaftsgericht eingebracht.

Demnach hätte das Baby während der Stillperiode ausschließlich bei der Mutter gelebt und danach immer mehr Zeit beim Vater verbracht. Nach drei Jahren sollte das Kind beim Vater leben und die Mutter nur noch besuchen. Die Mutter von Estibaliz C. wäre demnach bereit, von ihrem Heimatland Spanien nach Österreich zu übersiedeln und den Vater ihres Enkels zu unterstützen. Verletzt sieht Mayer Artikel 8 der Menschenrechtskonvention, das Recht auf Familienleben.

Estibaliz C. steht im Verdacht, 2008 ihren deutschen Ex-Mann und 2010 ihren Ex-Liebhaber getötet zu haben. Die zerstückelten Leichen der beiden Männer waren Anfang Juni 2011 im Keller ihres Eissalons "Schleckeria" in Wien-Meidling von Bauarbeitern entdeckt worden. (APA)