Frankfurt/Main - Die Märkte haben am Donnerstag gebannt auf die Leitzinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) und die Platzierung spanischer und italienischer Anleihen geblickt. Die EZB beließ dabei den Leitzins auf seinem Rekordtief von 1,0 Prozent. In einer Pressekonferenz sagte EZB-Chef Mario Draghi, die Entscheidung sei einstimmig gefallen.

Draghi hat aber die Tür für weitere Zinssenkungen in den kommenden Monaten offen gelassen. "Unsere geldpolitische Ausrichtung ist und bleibt konjunkturstimulierend. Wir sind zum Handeln bereit", sagte der EZB-Chef. "Die andauernden Spannungen an den Finanzmärkten werden die Konjunktur in der Eurozone weiter dämpfen", so Draghi. "Der Wirtschaftsausblick ist von hoher Unsicherheit geprägt, die Abwärtsrisiken sind substanziell." Der EZB-Chef bestätigte auch die bisherige Einschätzung, die Inflationsrate in der Eurozone werde "wahrscheinlich noch einige Monate über zwei Prozent bleiben, bevor sie unter zwei Prozent fallen" werde.

Zwar gebe es einige Daten, die eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau erwarten lassen. "Daraus aber Gewissheit (für die Konjunktur) abzuleiten ist unmöglich." Niedrige Zinsen verbilligen Kredite und können die Konjunktur anschieben. Allerdings kann - wenn die Notenbank nicht rechtzeitig gegensteuert - ein Anstieg der Teuerung die unerwünschte Folge sein. Draghi rechnet jedoch mit einem weiteren Rückgang der Inflationsrate und in einigen Monaten mit Preisstabilität.

Wirtschaftlich werde sich die Eurozone im Laufe des Jahres erholen, aber nur sehr schrittweise. Draghi: "Dies wird durch die Entwicklung der weltweiten Nachfrage, sehr niedrige kurzfristige Zinsen und all jene Maßnahmen gefördert, die wir zur Stützung der Finanzsektors ergriffen haben."

Liquidität für die Banken

Draghi zeigte sich mit den im Dezember eingeleiteten Schritten der EZB zur Stützung der Banken zufrieden. Vor Weihnachten hatte die Notenbank den Instituten für drei Jahre unbegrenzt Liquidität zur Verfügung gestellt - insgesamt fast 500 Mrd. Euro. "Je mehr Zeit seitdem vergeht, desto mehr können wir erkennen, dass diese Maßnahme effektiv ist", sagte Draghi mit Blick auf zwei erfolgreiche Auktionen spanischer und italienischer Bonds am Donnerstag. Mit dem Geld sei es der EZB gelungen, eine breite Kreditklemme zu verhindern.

Allerdings sei schon in einigen Regionen der Währungsunion ein Rückgang der Kreditvergabe zu beobachten, räumte der Italiener ein, der seit November auf dem Chefsessel der Notenbank sitzt. "Der Interbanken-Handel funktioniert nicht." Viele Banken parken seit Weihnachten nämlich das Geld der EZB wieder auf deren Konten, weil sie sich gegenseitig misstrauen. Sie nehmen damit bewusst einen Zinsverlust in Kauf. Draghi sieht das anders: "Im Großen und Ganzen sind es nicht dieselben Banken, die das Geld bei der EZB geliehen haben, die es nun wieder in die Einlagefazilität der EZB geben."

Refinanzierungsbedarf

Das Verhalten der Banken habe auch mit dem hohen Refinanzierungsbedarf vieler Institute in den kommenden Monaten zu tun. Um dennoch den Anreiz für die Banken zu erhöhen, sich wieder gegenseitig Geld zu leihen, habe der EZB-Rat allerdings nicht über eine Senkung des Einlagezinssatzes unter 0,25 Prozent gesprochen, sagte Draghi. Damit würde es für die Banken deutlich unattraktiver, Geld bei der Zentralbank zu parken. Auch eine Art Strafzins auf Einlagen bei der EZB ist denkbar. Die Notenbanken Schwedens und der Schweiz hatten in der Vergangenheit bereits solche Mittel ergriffen.

Am Devisenmarkt profitierte der Euro von Draghis Äußerungen und kletterte wieder über die Marke von 1,28 Dollar. Die Märkte sähen es als positives Zeichen, dass Draghi eine Wirkung der Drei-Jahres-Tender bei den Banken ausmache, sagte ein Devisenhändler in Frankfurt. "Er räumt die wirtschaftlichen Abwärtsrisiken ein, sieht aber auch Anzeichen einer Stabilisierung."

Briten lassen Leitzins unangetastet

Die britische Notenbank hat ihren Leitzins und ihr Anleihekaufprogramm wie erwartet unverändert belassen. Der Leitzins liegt nach wie vor auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent. (APA/red)