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"In der präoperativen Diagnostik gibt es teilweise Wildwuchs", räumte Ärztekammer-Vizepräsident Günther Wawrowsky ein.

Foto: AP/Schlager

Wien - Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat eine neue Möglichkeit gefunden, im Gesundheitssystem einzusparen - vermutet zumindest die Ärztekammer: Evidence-based Medicine (EBM) soll das Zauberwort heißen, mit dem laut den Ärzten Gesundheitsleistungen rationiert (und damit das Budget geschont werden) könnten. Anhand von Studien sollen neue Leitlinien für Behandlungen erarbeitet werden. Weicht ein Arzt davon ab, könnte dafür sogar eine Strafe fällig werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Gesundheitsministerium eine solche Leitlinie als verbindlich erlässt - was bisher noch nicht passiert ist. Im Auftrag der Ärztekammer haben sich der Moraltheologe Günter Virt und Hans Schelkshorn, Professor am Institut für Christliche Philosophie der Uni Wien, mit dem Thema beschäftigt. Aufgrund von EBM gewisse Behandlungen auszuschließen komme einem "Systemwechsel" gleich, meint Virt.

Drohende "Entmündigung"

Schelkshorn sprach von einer "Entmündigung der Ärzte", schließlich könne man nur einen Teil ihrer Handlungen mit wissenschaftlichen Untersuchungen begründen. Wenn ein Gremium über Behandlungsvorgaben entscheide, dann sei das geradezu "ein Magnet für ökonomische Einflussnahmen".

Bei der präoperativen Diagnostik sehen die Ärzte bereits jetzt Rationierungen. Gewisse Untersuchungen wie etwa ein Lungenröntgen, Blutuntersuchungen und ein EKG sollen vor Routineeingriffen nicht mehr durchgeführt werden, empfiehlt eine Leitlinie des Gesundheitsministeriums. "In der präoperativen Diagnostik gibt es teilweise Wildwuchs", räumte Ärztekammer-Vizepräsident Günther Wawrowsky ein. Eine "Begradigung" sei richtig, man solle aber nicht "das Kind mit dem Bad ausschütten". (hei, DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2012)