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Mit Gedränge auf den Bahnsteigen in China, wie hier am Bahnhof Changsha in der Provinz Hunan, müssen Chinesen, die derzeit zum Frühlings- oder Neujahrsfest reisen, bis 12. Februar rechnen

Foto: REUTERS/CHINA DAILY

Die beiden Schriftzeichen für "Huijia" bedeuten: "Auf nach Hause!" Keine Worte klingen derzeit süßer in den Ohren von Chinesen als dieser überall hörbare und auf Titelseiten der Magazine gedruckte Lockruf, zum Frühlingsfest in den Kreis ihrer Familien heimzukehren. Die Verkehrsplaner aber setzt kein Begriff so in Angst und Schrecken vor den kommenden motorisierten Massenheeren, die sich über Straßen und Bahnen, auf Schiffen oder in Fliegern in Bewegung setzen.

Vor der Nacht auf den 23. Jänner müssen sie am Ziel sein, wenn nach dem traditionellen Bauernkalender das Jahr des Drachen unter ohrenbetäubendem Feuerzauber von Böllern und Raketen beginnt. Wegen des frühen Jännertermins, auf den Chinas Silvester diesmal fällt, sind Studenten, Wanderarbeiter und alle anderen Heimkehrenden heuer fast gleichzeitig unterwegs. 40 Tage Reisezeit vom 8. Jänner bis zum 16. Februar planen die Behörden ein.

Moderne Völkerwanderung

Die Zeit von der Anreise der Ersten zum Frühlingsfest bis zum Ende aller Rückreisen heißt im Chinesischen "Chunyun". Von moderner Völkerwanderung zu sprechen wäre viel passender.

Statistisch werden in diesen 40 Tagen alle 1,4 Milliarden Chinesen im Reich der Mitte mindestens einmal irgendwo hin- und zurückfahren. Sie sind auf 3,15 Milliarden Trips unterwegs, doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Das gibt eine Vorstellung von dem rasenden Tempo an Mobilität und Urbanisierung, die China im vergangenen Jahrzehnt durchgemacht hat. Erstmals in der Geschichte lebt die Hälfte der Bevölkerung heute in Städten. Aber ihre Wurzeln haben viele noch in Dörfern.

Für Logistiker sind die kommenden Reisewochen ein einziger Albtraum. Einen Vorgeschmack geben die Online-Buchungen für den Bahnkartenverkauf. Mit einer Milliarde Klicks in der ersten Woche brachen die Bestellportale zusammen. Die Kartenverkaufsstellen der Bahnhöfe sind im Belagerungszustand. Die Herren der Bahn planen im Minutentakt täglich 4100 Züge durchs Land rollen zu lassen. Sie wollen 235 Millionen Bahnfahrten bedienen und beten darum, dass keine Schneestürme wüten. Für den Notfall halten sie auf Nebengleisen 500 Dieselloks und 1000 Dieselgeneratoren bereit.

Auf die Autobahnen und Straßen aber kommt die Hauptlast des "Chunyun" zu. 840.000 Busse und Millionen Privatautos rollen ihren Zielen entgegen. Allein 30 Millionen Personen sollen landesweit den Verkehr in geregelten Bahnen zu halten. Chinas Chunyun 2012 wird ins Guiness Buch der Rekorde eingehen. Bis zum Chunyun 2013. (Johnny Erling, DER STANDARD Printausgabe, 12.1.2012)