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Wahlkampf in Taiwan: Das Mädchen trägt die Kuomintang und den Namen Präsident Mas auf den Nägeln, ...

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...der Mann hat sich die DPP an den Helm gesteckt.

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Graphik: STANDARD

Einmal mehr geht es für die kleine Insel um die Frage nach dem Verhältnis zur Volksrepublik.

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Taipeh/Wien - Die Hände über dem Rücken verschränkt, misstrauischer Blick - lange beobachtet der ältere Herr uns und unsere Führerin. Dann fasst er sich sich ein Herz und spricht Jerri So an. "Ist das denn wirklich alles echt?", raunt der Tourist aus der Volksrepublik ungläubig. "Ja, natürlich!", gibt Jerri zurück. Was für eine Frage. Und später zu uns: "Die haben noch immer die Propaganda im Kopf, dass wir hier nur Fälschungen ausstellen."

Taipeh. Nationales Palastmuseum. Porzellanabteilung. In der Vitrine steht eine jadefarbene Vase von unschätzbarem Wert. Ein Stück von hunderttausenden Objekten der kaiserlichen Kunstsammlung, die Tschiang Kai-schek 1949 bei seiner Flucht vom Festland auf die Insel Formosa mitgenommen hat - neben der chinesischen Staatskasse und dem Staatsnamen (Republik China).

In dem prachtvollen Gebäude werden 5000 Jahre chinesischer Kultur ausgestellt. Und es kommt neuerdings wieder zusammen, was seit gut 60 Jahren getrennte Wege geht: Taiwaner und Chinesen vom Festland. Drei Millionen Touristen sind seit Mitte 2009 inzwischen ins "demokratische China" gereist. Sie besuchen die Museen, gehen shoppen - und sie zappen, so berichten es zumindest die Taiwaner, mit großer Faszination durch das halbe Dutzend politischer Talkshows, die abends im Fernsehen laufen.

Dabei wird ihnen dieser Tage einiges geboten. Denn Samstag wird gewählt. Präsident Ma Ying-jeou, der nach langer Eiszeit seit 2008 wieder auf Annäherung zwischen Taipeh und Peking setzt, kämpft um seine Wiederwahl. Der Chef der chinesischen Nationalpartei Kuomintang, die seinerzeit samt General Tschiang Kai-schek und hunderttausenden ihrer Anhänger von Maos Kommunisten vertrieben wurde, setzt dabei auf Pragmatismus: auf Handel, finanzielle Verflechtungen, Tourismus - und auf das unausgesprochene Übereinkommen mit Peking, dass Taipeh rechtlich zwar ein Teil Festlandchinas sei, de facto aber unabhängig ist.

Tsai Ing-wen, die Chefin der oppositionellen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), lehnt genau das ab. Sie ist gegen den "1992 Consensus", in dem Peking und Taipeh übereinkamen, dass das "Ein-China-Prinzip" gelten solle, es also nur einen chinesischen Staat geben könne (beide meinen natürlich den jeweils eigenen). Tsai tritt offen für die Unabhängigkeit Taiwans ein.

Für viele Beobachter ist diese Position angesichts der fortgeschrittenen Verflechtungen beider Länder unhaltbar. "Sie werden sehen, Madame Tsai wird ihre Position immer mehr aufweichen, erst recht wenn sie gewählt wird" , sagte etwa der Politologe Lin Chong-Pin von der Tamkang-Universität in Taipeh zum Standard. Arthur Ding (Chengchi-Universität) gibt ihm recht und zitiert zum Beweis Umfragedaten: "Seit 1992 ist die Zahl der Befragten, die sich selbst als Taiwaner bezeichnet, von 18 auf 54 Prozent gestiegen. Das heißt, so etwas wie eine nationale Identität ist entstanden. Dennoch sind 80 Prozent der Taiwaner für die Beibehaltung des Status quo im Verhältnis zu China und weder für Wiedervereinigung noch für volle Unabhängigkeit."

Diese Richtungsentscheidung müssen die Wähler nun - mit allen Konsequenzen etwa für Wirtschaft oder Sicherheitspolitik - erneut treffen. Laut Umfragen dürfte Präsident Ma das Rennen wieder machen. Allerdings bleibt eine Unbekannte: James Soong, ein ehemaliger Kuomintang-Mann, tritt mit einer eigenen Liste an. Er hat seiner Expartei schon im Jahr 2000 das Amt "abgenommen". Damals gewann Chen Shui-bian von der DPP. Acht Jahre Eiszeit mit Peking waren die Folge. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2012)