Berlin - Wie erkennt ein Arzt, ob bei einem Patienten, der in die Notaufnahme einer Klinik eingeliefert wird, die Nieren akut geschädigt sind? Diese Frage ist mit bisherigen Tests häufig nur schwer zu beantworten, für die frühe Beurteilung der Schwere des Krankheitsbildes jedoch von großer Bedeutung. Ein internationales Wissenschfterteam hat jetzt gezeigt, dass der Nachweis von Proteinen, die eine geschädigte Niere in den Urin ausschüttet, hilft, Hochrisikopatienten sehr früh zu erkennen, teilte das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch mit, das maßgeblich an der Forschung beteiligt war. Die Studie ist im Journal of the American College of Cardiology erschienen.

"Es gibt keine typischen Symptome für akutes Nierenversagen. Trotzdem ist es für den Arzt sehr wichtig, schon sehr früh festzustellen, ob ein Patient eine akute Nierenschädigung hat", betont Kai Schmidt-Ott, Nierenspezialist von der Charité, der am MDC eine Forschungsgruppe leitet.  Denn im Anfangsstadium ist es häufig noch möglich, die Erkrankung aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen. Bei fortgeschrittener Schädigung ist eine Dialyse-Behandlung (Blutwäsche) erforderlich. 

Bedarf an genaueren Biomarkern

Derzeit wird einzig der Kreatininwert im Blut (Serum-Kreatinin) für die Diagnose eines akuten Nierenversagens herangezogen. Kreatinin ist ein Molekül, das normalerweise über die Niere ausgeschieden wird, sich jedoch bei eingeschränkter Nierenfunktion im Blut anhäuft. Dennoch ist es nicht immer möglich in der Notaufnahme erhöhte Serum-Kreatinin-Werte zu messen, weil nach einer Nierenschädigung 24 bis 48 Stunden vergehen können, bis das Kreatinin sich im Blut anhäuft und damit die Risikopatienten nicht erkannt werden. Somit besteht ein dringender Bedarf an genaueren Markern der Gewebeschädigung in der Niere.

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass eine geschädigte Niere eine Reihe von Proteinen bildet. In kleineren Studien mit wenigen Patienten war untersucht worden, ob diese Proteine als Biomarker dienen können, um Hochrisikopatienten mit einer Gewebeschädigung der Niere zu identifizieren. In den vergangenen drei Jahren wurde dieser Frage in einer großen Studie nachgegangen: Mediziner haben von fast 1700 Patienten, die in die Notaufnahmen von Kliniken in Berlin und New York kamen, fünf dieser Proteine im Urin gemessen.

Zwei Proteine hilfreich

Dabei stellten sie fest, dass vor allem zwei Proteine, in der Fachsprache kurz NGAL und KIM-1 genannt, sich als hilfreich für eine frühzeitige Risikoeinschätzung erwiesen haben. Sind die NGAL-und KIM-1-Werte niedrig, so ist das Risiko des Patienten gering im Laufe des Klinikaufenthaltes zu versterben oder eine Dialyse zu benötigen. Hohe Werte zeigen dagegen das Risiko einer akuten Nierenschädigung an. Kombiniert ein Arzt die Messwerte dieser Biomarker mit den Werten des Serum-Kreatinins, ist eine genauere Einschätzung des individuellen Risikos möglich. Das könnte Klinikern in der Notaufnahme schnell helfen, eine adäquate Behandlungsstrategie für den Patienten zu entwickeln.

Noch aber ist nicht klar, ob alle Patienten, die in eine Notaufnahme kommen, auf diese Biomarkerproteine hin untersucht werden sollten oder ob die Messung nur bestimmten Patienten (zum Beispiel Diabetikern oder Bluthochdruckpatienten, die ein hohes Risiko für ein akutes Nierenversagen haben) vorbehalten sein soll. Ebenso ist noch unklar, ob eine Diagnose mit Hilfe dieser Biomarker tatsächlich den individuellen Behandlungserfolg beeinflusst. Dazu sind weitere Studien nötig. (red)