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Die "Mini-Nukes" sind wieder zurück: In der Wüste von Nevada hatte die US-Armee 1953 zum ersten und bisher einzigen Mal eine "Atomkanone" getestet. Im Verteidigungsbudget 2004 will US-Präsident Bush nun Mittel für die Forschung an Mini-Nuklearwaffen festschreiben lassen. Das Teststopp-Abkommen wäre damit endgültig hinfällig

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Clinton selbst hatte der Wichtigkeit, die der CTBT für ihn hatte, Ausdruck verliehen, indem er ihn mit John F. Kennedys Füllfeder unterschrieb

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Wie geht es mit den amerikanischen Atomwaffen weiter, kehren mit der Entscheidung der US-Regierung, die Forschung an "Mini-Nukes", kleinen Nuklearwaffen, zu forcieren, auch die Atomtests auf die internationale Agenda zurück? Die Atomteststoppbehörde CTBTO (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organisation) ist seit 1996 bemüht, Unterschriften und Ratifizierungen unter ein internationales Atomtestverbot zu versammeln: Die USA, Unterzeichner der ersten Stunde, haben jedoch kundgetan, dass sie nicht die Absicht haben, den Vertrag zu ratifizieren.

Clinton-typische Schlamperei

Ginge es nach der jetzigen US-Regierung von George Bush, wäre auch die Unterschrift nie "passiert". Bill Clinton hatte das Zustandekommen des CTBT wesentlich betrieben - er hatte der Wichtigkeit, die der Vertrag für ihn hatte, Ausdruck verliehen, indem er ihn mit John F. Kennedys Füllfeder unterschrieb. Die Ratifizierung scheiterte jedoch 1999 im republikanisch dominierten Senat, schlecht vorbereitet, eine für die Clinton-Administration typische Schlamperei, merken Diplomaten an.

Mit George Bush ist die Aussicht auf eine Ratifizierung erst einmal dahin; angesichts der neu deklarierten Forschungsabsichten im Atomwaffenbereich fürchtet man nun auch um das bereits von Bush senior verkündete Teststopp-Moratorium, das auch Bush junior bisher respektiert.

Testverbot bald vorbei?

Denn Experten sind sich einig, dass es fast ausgeschlossen ist, dass nicht getestete Waffen in die US-Waffenarsenale aufgenommen werden: In ein paar Jahren, wenn die Forschung ein gewisses Stadium erreicht hat, werden die USA also wieder testen wollen. Und wenn sie damit anfangen, würde China, das ebenfalls nicht ratifiziert hat, wohl folgen - und der CTBT wäre hinfällig, denn warum sollten dann die anderen Länder diejenigen, die sich nicht an das Testverbot halten, via CTBTO weiter freiwillig mit ihren Daten beliefern?

Wobei dieser Aspekt für die USA attraktiv bleibt: Durch das in den letzten Jahren installierte IMS (International Monitoring System) mit weltweiten Messungen wird bereits heute ein umfassendes Bild über Ereignisse geliefert, hinter denen sich Atomtests verbergen könnten. Auch wenn der CTBT noch nicht in Kraft ist, die Behörde also noch keine Schritte setzen kann: An den UNO-Sicherheitsrat kann sich aufgrund verdächtiger Ergebnisse jeder Staat wenden.

Exzellentes Überwachungssystem

Dem Überwachungssystem stellen Experten, zuletzt die US-Akademie für Wissenschaften, ein exzellentes Zeugnis aus - was das Argument der Gegner von der "Nichtverifizierbarkeit" des Vertrags ad absurdum führt. Tatsächlich zahlen die USA weiter brav ihre Beiträge dafür, wenn auch mit einem Fünf-Prozent-Abzug für Vorortinspektionen, die es ja erst nach dem Inkrafttreten geben würde, und Aktivitäten, die dem Inkrafttreten des Vertrags dienen, woran die USA ja jetzt kein Interesse mehr haben.

Noch beschränken sich die Absichten der USA offiziell auf zwei Punkte: erstens die Verkürzung der technisch nötigen Zeitspanne zwischen der Entscheidung für einen Atomtest und dessen Durchführung, die heute bis zu drei Jahre beträgt - was heißt, dass Bush bald eine Entscheidung fällen müsste, wollte er in seiner zweiten Amtszeit testen lassen (was wiederum die Ängste relativiert: bis dahin könnten auch wieder die Demokraten regieren).

"Bunkerbuster"

Zweitens geht es um die Forschung an "Mini-Nukes" mit zwei Anwendungsgebieten: für die Zerstörung von B-und C-Waffenarsenalen (eine umweltmäßig gruselige Idee) und als Bunkerbuster (wobei die technische Machbarkeit nicht eindeutig geklärt ist).

Experten orten jedoch noch einen Grund für die USA, wieder in die Atomwaffenproduktion einzusteigen: Die Waffenbauer erreichen schön langsam alle das Pensionsalter, und es kommen keine jungen Leute nach, weil sie die Branche nicht für zukunftsträchtig halten. Deshalb will man in den USA wegkommen vom bloßen "Stewardship", der Wartung des existenten A-Waffenarsenals, wovon Teile mit subkritischen Tests, also ohne Kernreaktion, getestet werden. Das von der Anti-CTBT-Lobby gebrauchte Argument, ohne Atomtests würden die Atomwaffen verkommen, weisen Experten zurück. Aus einem technisch komplizierten Grund werden ältere Atomwaffen sogar "besser": weniger Fehlzündungen.

Die Sorge, dass mit dem Atomteststopp das ganze in den letzten Jahrzehnten mühsam zusammengeschmiedete internationale Rüstungskontroll-Konzept infrage gestellt wird, geht unter Abrüstungsexperten um. Der CTBT stärkt sowohl die horizontale als auch die vertikale Komponente der Nichtverbreitung von Atomwaffen: Nichtatomwaffenstaaten wird es mangels Testmöglichkeiten erschwert, sich ein Arsenal aufzubauen, Atomwaffenstaaten können den bestehenden Arsenalen keine neue Waffentypen hinzufügen. "CTBT und NPT (Non Proliferation Treaty) gehören zusammen", sagen Diplomaten. Fällt das eine, wird das andere zumindest schwer beschädigt. (Gudrun Harrer DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2003)