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Przybyl wird verletzt abtransportiert.

Foto: Reuters

Warschau - Der Selbstmordversuch eines Militärstaatsanwalts am Montag hat in Polen eine politische Debatte über die Institution ausgelöst. Oppositionschef Jaroslaw Kaczynski von der rechtskonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) sprach von einer "Krise im Justizsystem". Der Staatsanwalt, der keine lebensbedrohlichen Verletzungen erlitt, hat sich inzwischen in den Medien zu seiner Tat geäußert.

In der Staatsanwaltschaft gebe es einen "offenen Konflikt", kommentierte Kaczynski das Geschehen. Der Ex-Ministerpräsident rief zur Abschaffung der Militärstaatsanwaltschaft auf. "Das ist ein Anachronismus", so der Politiker. Ihre Aufgaben sollten von der zivilen Staatsanwaltschaft übernommen werden. Gleichzeitig kritisierte Kaczynski Ministerpräsident Donald Tusk dafür, dass dieser seinen Urlaub nicht abgebrochen habe. "Ich fordere ihn dazu auf, dass er seinen Pflichten nachkommt", sagte Kaczynski bei einer Pressekonferenz.

Der Fraktionsvorsitzende der Oppositionspartei "Bewegung Palikots" (RP), Janusz Palikot, verlangte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Dieser solle sich mit den Unregelmäßigkeiten im Verteidigungsministerium und bei der Armee beschäftigen, die der Militärstaatsanwalt Mikolaj Przybyl vor seiner Tat bei einer Pressekonferenz angedeutet hatte, so Palikot im Fernsehsender TVN24. Der Selbstmordversuch sei offenbar ein "Schrei der Verzweiflung" gewesen, durch den Przybyl auf Missstände aufmerksam machen wollte.

Wange durchschossen

Przybyl bestätigte am Dienstag in einer Erklärung gegenüber Radio Zet, dass er Selbstmord begehen wollte. Dazu habe er sich den Lauf seiner Pistole in den Mund gesteckt. Er sei aber erschrocken, als jemand die Tür zum Saal der Pressekonferenz, die Przybyl zuvor abgehalten hatte, öffnen habe wollen. Deshalb habe er nur die Wange durchschossen.

Der Staatsanwalt erklärte, durch den Selbstmord habe er auf die Bedeutung der Militärstaatsanwaltschaft hinweisen wollen. Denn die Forderungen, diese aufzulösen, hätten ihre Ursache in seinen Ermittlungen über die Finanzierung der polnischen Armee. "Ich weiß, dass auf meinen Kopf deshalb eine Million Zloty (220.000 Euro) ausgesetzt war", erklärte Przybyl, ohne zu sagen, wer sein Leben bedrohe und um welche Vorwürfe es bei seinen Ermittlungen geht.

Journalisten filmten, statt Erste Hilfe zu leisten

Journalisten diskutierten unterdessen am Dienstag über das Verhalten der Kameraleute und Kollegen unmittelbar nach dem Schuss. Nachdem sie den Konferenzsaal betreten hatten, filmten und dokumentierten sie die Situation, ohne dem am Boden liegenden Verletzten zu helfen. "Das ist erschütternd", erklärte Andrzej Stankiewicz, Journalist des Nachrichtenmagazins "Newsweek Polska". Michal Szuldrzynski von der Zeitung "Rzeczpospolita" sprach von einer "dramatischen Situation", in der sich die Journalisten befunden hätten.

Die Pressekonferenz von Przybyl hatte den Absturz eines polnischen Regierungsflugzeugs im April 2010 betroffen, bei dem der damalige Präsident Lech Kaczynski und alle 96 weiteren Passagiere gestorben waren. Aus der Erklärung des Staatsanwalts vom Dienstag geht jedoch hervor, dass diese Ermittlungen und die damit verbundenen Vorwürfe gegen die Militärstaatsanwaltschaft nicht der Hauptgrund für sein Vorgehen waren. (APA)