Washington/Wien - Es gibt Menschen und viele Tiere, die sich rein pflanzlich ernähren. Es gibt aber auch Pflanzen, die Tiere verspeisen. In der Biologie war das lange umstritten, ehe ein gewisser Charles Darwin 1875 in seiner Arbeit über insektenfressende Pflanzen endgültige Klarheit schaffte.
Heute weiß man von insgesamt zehn Pflanzenfamilien, in denen 20 Spezies vorkommen, die Tiere töten und verstoffwechseln, um sich an kargen Standorten die Nährstoffbilanz aufzubessern. Doch womöglich ist das nur die Spitze des Eisbergs, wie nun brasilianische Forscher im US-Fachblatt PNAS vermuten. Sie haben nämlich eine Pflanze entdeckt, die ihre Opfer nicht mit Klebe- oder Klappfallen erbeutet, sondern mit unterirdischen Blättern. Und davon könnte es mehr geben.
Das ausschließlich in Brasilien vorkommende Gewächs Philcoxia minensis existiert in kargen Sandböden. Da die violett blühende Pflanze in ihrer Struktur fleischfressenden Pflanzen ähnelt, machten die Forscher einen Test. Sie markierten ein Millimeter lange Fadenwürmer mit Stickstoff und platzierten sie in Wurzelnähe. Die Tiere wurden tatsächlich getötet und über feine Härchen verstoffwechselt, wie sich an den Wurmleichen und Stickstoffspuren an den oberirdischen Blättern zeigte. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 11.01.2012)