Bild nicht mehr verfügbar.

Fette aus Schlachthöfen werden meist als Abfall betrachtet und verbrannt. Dabei lassen sich aus einer Tonne Lipide rund 0,7 Tonnen Biokunststoff herstellen.

Foto: AP/Hermann J. Knippertz

Wien/Graz - Der Kunststoff der Zukunft könnte aus Abfällen der industriellen Fleischproduktion gewonnen werden. Im EU-Projekt "Animpol" forschen europäische Wissenschafter unter der Leitung der Technischen Universität (TU) Graz an neuen Prozessen, biologisch abbaubare Kunststoffe und Biotreibstoffe aus Schlachtabfällen herzustellen, ohne dafür fossile Brennstoffe zu verwenden.

Jedes Jahr fallen in der europäischen Schlachtindustrie eine halbe Million Tonnen Lipide (Fette) an. Diese haben gegenüber aus Pflanzen stammenden Rohstoffen (Kohlenhydrate wie Zucker oder Glucose) für die Biokunststoff-Produktion einen entscheidenden Vorteil: "Aus einer Tonne Lipide lassen sich 0,7 Tonnen Biokunststoff herstellen", sagt Projektleiter Martin Koller vom Institut für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz.

Kohlenhydrate nur bei 0,3 Tonnen

Demgegenüber ergebe eine Tonne Kohlenhydrat rein theoretisch rund 0,5 Tonnen Biokunststoff, in der Realität sei jedoch lediglich eine Ausbeute von 0,3 Tonnen erzielbar. Die höhere Ausbeute liegt im Stoffwechsel der Bakterien begründet, mit deren Hilfe der Ausgangsstoff für die Bio-Polymere hergestellt wird. Die eingesetzten Mikroben können Lipide effizienter zum Endprodukt verarbeiten als Kohlenhydrate.

Bisher werden die meisten Abfälle aus Schlachthöfen und Tierkörperverwertungsanstalten verbrannt, die Wertschöpfung aus der thermischen Verwertung ist laut Koller dabei marginal. Allein 2010 seien weltweit ca. 250 Millionen Tonnen Kunststoff mit Hilfe von fossilen Brennstoffen produziert worden. Der Vorteil von Biokunststoffen liegt für Koller darin, dass sie biologisch abbaubar, aber auch biokompatibel sind. Dadurch seien sie für den medizinischen Einsatz als chirurgische Nähte oder Implantate besonders gut geeignet. In diese Richtung forscht beispielsweise auch das Laura-Bassi-Projekt "BRIC" an der Medizinischen Universität Graz unter Leitung von Annelie Weinberg im Bereich der Kinderchirurgie.

Auch Molkelaktose als Möglichkeit

Ausgangspunkt für das Projekt ANIMPOL sei die Frage gewesen, "welche Rohstoffe verfügbar sind, ohne in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu stehen". Neben Schlachtabfällen komme innerhalb der EU auch Molkelaktose aus der Käsereiproduktion infrage, die bisher ungenützt im großen Stil entsorgt werde. Pro Liter Milch falle fast ein Liter Molke und damit 40 bis 50 Gramm Laktose an. "Allein in Oberitalien wird pro Tag eine Million Liter Molke weggekippt, die dann im Meer landet", erklärt der Experte. Der Versuch, eine Pilotanlage für die Produktion von Biokunststoff aus Laktose zu errichten, sei bisher an fehlendem politischem Willen gescheitert.

An dem von der EU mit knapp drei Millionen Euro geförderten Projekt ANIMPOL sind insgesamt elf europäische Partner beteiligt, darunter die Technische Universität Graz, die Karl-Franzens-Universität Graz und das steirische Unternehmen Reistenhofer, von dem die Schlachtabfälle stammen. Das Projekt, in dessen Rahmen auch an effizienteren Biokraftstoffen aus Tierabfällen geforscht wird, startete im Jänner 2010 und läuft noch bis Ende dieses Jahres. Danach ist die Errichtung einer Produktionsanlage geplant, in der die neu entwickelten Prozesse in die Praxis umgesetzt werden können, möglichst in Anbindung an eine bestehende Biodiesel-Anlage. (APA)