Bild nicht mehr verfügbar.

Die Vorbereitungen für die Neujahrs- Feierlichkeiten in China laufen auf Hochtouren. Taucher üben in einem Aquarium in Peking für den 23. Jänner an einem Drachentanz.

Foto: Reuters

Westlicher Sylvester ist lange vorbei. Erst seit dieser Woche aber lässt Peking seine Verkaufsbuden für Feuerwerk öffnen. Die Kracher sind für Chinas Neujahr bestimmt, das nach dem traditionellen Kalender am 23. Jänner beginnt. Zwei Wochen lang dürfen dann die Bürger die bösen Geister des alten Jahres austreiben, um ein boomendes Drachenjahr 2012 zu begrüßen. Drei Feuerwerkskonzerne teilen sich das Milliardengeschäft. Die Firma Panda bietet besondere Raketen zu umgerechnet 110 Euro an. Ihr glückverheißender Name ist Omen: "Sonder-Eilzug in den Reichtum."

Doch Peking fährt das Jahr 2012 langsam an. Zwar liefern die Firmen der Hauptstadt 810.000 Kisten voller Kracher für Neujahr. Aber das sind 140. 000 weniger als 2011. Erstmals seit fünf Jahren geht der Verbrauch an Feuerwerk zurück, recherchierte die Zeitung Fazhi Wanbao. Der jähe Abfall hat zwar auch mit mehr Brandschutzvorschriften zu tun. Spötter sprechen jedoch vom Böller-Index, ein erstes hörbares Warnsignal, dass Chinas boomender Konjunktur heuer die Puste auszugehen droht.

Andere Indikatoren widersprechen - vom "Rolls-Royce-Index", weil das Land 2011 mehr Luxuslimousinen kaufte als die USA, bis zum chinesischen Einkaufsmanagerindex PMI. Der sprang für Dezember wieder über den Zähler 50,3 Punkte und löste an Europas Börsen ein Kursfeuerwerk aus.

Er nahm die magische Hürde, ab der die Wirtschaft einen Expansionskurs fährt. Die National Business Daily fand aber heraus, dass der PMI-Wert bei entscheidenden Positionen wie Aufträgen unter der Marke 50 bleibt. Auch Xinhua warnte, den Autoboom zu verklären. Beispiele für schwächelndes Wachstum mehren sich: etwa in der arbeitsintensiven Werftindustrie. Dort fielen die von Jänner bis November lukrierten Neubauaufträge um 47 Prozent unter den Vergleichszeitraum 2010. Ein Drittel kleiner bis mittlerer Schiffbauer bekam überhaupt keine Order.

Von Zement bis zu Stahl geben Stützen der Konjunktur nach. Die Erzeugung von Rohstahl fiel bis November sechs Monate in Folge. Der exportgewichtige Textilsektor legte 2011 zwar um über 20 Prozent zu, aber langsamer als 2010 und mit niedrigeren Gewinnen.

Angst um Arbeitsplätze

Chinas Volkswirtschaft hat sich bereits im Vorjahr von zweistelligen Wachstumsraten verabschiedet. Die Wirtschaftsplaner hoffen, dass 2012 nicht unter die für die Beschäftigung kritischen acht Prozent Wachstum rutscht. Im Frühjahr 2009 war Chinas Wirtschaft im Banne der Finanzkrise im ersten Quartal auf 6,5 Prozent eingebrochen. Über 20 Millionen Wanderarbeiter wurden entlassen.

Erst dank Sonderkonjunkturmaßnahmen ging es wieder aufwärts. Um diese zu wiederholen, fehlt es China aber an innerem Finanzfeuerwerk und Investitionen. Staat und Betriebe werden durch Schuldenlasten gebremst, zumal Peking darum kämpft, die Inflation auf fünf Prozent zu begrenzen.

Banken müssen mit ihren für über eine Billion Euro vergebenen Krediten fertigwerden. Mehr als eine Billion Euro Schulden lasten auch auf den Provinzen. Und die Städte nehmen weniger Geld ein: Pekings Maßnahmen, um die Immobilienblase zu entschärfen, Bodenspekulationen zu unterbinden und schwächere Bautätigkeit haben ihre Erlöse geschmälert.

Premier Wen Jiabao ist alarmiert. Die zugleich einbrechende Auslandsnachfrage, höhere Arbeits- und Produktionskosten, die Aufwertung von Chinas Währung zum Dollar, die Kosten für mehr soziale Gerechtigkeit und die Umwandlung einer nicht mehr nachhaltigen Wirtschaftsweise überfordern die Leistungsfähigkeit des Landes. Diese Woche beschwor der Premier seine Landsleute, zuversichtlich zu bleiben. Sie müssten alles tun, um "Wachstum in einem sich abkühlenden Markt zu stabilisieren". Und erstmals warnte er: Die Wirtschaftslage im ersten Quartal 2012 werde schwieriger als in der Krise nach 2008. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, Printausgabe, 7.1.2012)